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Doktor Proktors Zeitbadewanne

Doktor Proktors Zeitbadewanne

Titel: Doktor Proktors Zeitbadewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Uhren bei Uhren-Langfrakk und wusste sofort, dass die Raspa die Wahrheit sagte. Zugleich aber fiel ihr etwas anderes ein.
    »Aber... aber wenn die Geschichte in Stein gemeißelt ist, dann kann Doktor Proktor jetzt nicht sterben! Sonst würde ja nie ein Pupspulver erfunden werden, nur zum Beispiel. Die Geschichte wäre verändert und das soll ja angeblich nicht gehen!«
    »Du hörst mir nicht gut zu, du dummes Ding«, sagte die Raspa, klappte ihre schwarz bemalten Lider über die vorgewölbten Augäpfel und sagte mit gesenkter Stimme: »Der Tod ist die Ausnahme. Nur wenn du stirbst, kannst du die Geschichte verändern. Denn dann verschwindest du selbst in der Zeit und kommst nie wieder heraus. Und schau, jetzt ist es beinahe so weit. Gleich muss Viktor sterben, dann verschwindet er und die Geschichte wird umgeschrieben!« Ihre Augen waren weit aufgerissen und in ihrer Stimme lag ein eiskaltes Lachen. »Und dann gehört alles mir, nur mir allein!«
    Lise hatte den Arm halb freibekommen, mehr jedoch nicht.
    »Wie meinen Sie das, alles gehört Ihnen?«
    »Wenn Viktor Proktor 1793 stirbt, was glaubst du, wer dann das Patent für die Zeitbadewanne bekommt? Wer ist dann der größte Erfinder der Welt?«

    Blutbrunn hatte aufgehört zu lesen, blickte noch auf das Schriftstück in seiner Hand und rief über das anschwellende Pfeifkonzert: »In Ordnung, Leute, hier steht noch dies und das, aber auch nichts anderes als bei dem Letzten. Also, ich schlage vor, wir legen los.«
    Jubel.
    Die Raspa legte den Kopf nach hinten und ließ ein grausames Lachen ertönen.
    Lise nutzte die Gelegenheit, um ihre Hand mit einem letzten, heftigen Ruck aus dem Griff der Raspa zu befreien.
    »He, du elende Landrat. . .«, wollte die Raspa sagen, aber sie kam nicht dazu. Eine Trompete traf sie am Kopf und das lange Gestell von Weibsbild ging mit Mann und Maus zu Boden.
    Rasch schlüpfte Lise unter den Armen der Wachleute hindurch, die vorm Schafott standen, und lief die Stufen hinauf. Dort sprang sie Blutbrunn auf den Rücken, der bereits die Reißleine hielt, um die Guillotine auszulösen.
    »Halt!«, rief sie. »Doktor Proktor ist unschuldig! Ihr irrt euch!«
    Blutbrunn zuckte ein wenig mit dem Rücken, als säße da eine Fliege, die ihn störe. »Wache!«, rief er.
    »Wir kommen schon!«, antwortete eine Stimme.
    »Verzeiht, Herr Blutbrunn!«, sagte eine andere.
    Und schon rissen kräftige Arme Lise von Blutbrunns Rücken herunter und hielten sie fest. Jetzt hatte sie drei Gesichter vor sich:
    Ein rotfleckiges mit Schnauzbart.
    Ein ebenso rotfleckiges mit Schnurrbart.
    Und eines, das kein Gesicht war, sondern eine schwarze Haube mit Gucklöchern.
    »Du hast versucht, eine Hinrichtung zu verhindern«, brummte Blutbrunn und richtete den Zeigefinger drohend auf sie. »Ich verklage dich und beantrage Tod durch Köpfen. Hat die Angeklagte etwas zu sagen?«
    Lise ächzte. »Ich...der Professor...wir sind unschuldig.«
    »Und was sagen die Geschworenen?«, brüllte Blutbrunn und starrte den Schnauzbart und den Schnurrbart an.
    »Ich...äh...«, stammelte der Schnurrbart. »Sie ist doch noch ein Kind.«
    »Ja, ein Kind«, sagte der Schnauzbart. »Also ich finde...«
    Blutbrunn musterte sie. »Gibt es hier noch jemanden, der mich am Köpfen hindern will?«, zischte er leise.
    »Schuldig!«, rief der Schnurrbart.
    »Schuldig!«, rief der Schnauzbart.
    Blutbrunn ging zur Guillotine und öffnete die Klappe, in der der Hals des Professors festsaß.
    »Hier ist Platz für zwei, legt sie dazu. Dopppelköpfung!«
    Die Wachen drückten Lises Kopf neben den des Professors. Dann schnappte die Klappe wieder über ihren Hälsen zu und sie steckten fest.
    »Hallo, Professor«, sagte Lise. »Schön, Sie wiederzusehen.« Sie versuchte, zur Seite zu schauen, was aber mit festsitzendem Hals nicht leicht war.
    »Hallo, Lise«, sagte der Professor. »Tut mir leid, dass ich dich in diese Situation gebracht habe. Wirklich sehr leid.«

    »Ach was, das ist alles halb so wild«, sagte Lise und verdrehte den Kopf so, dass sie ein wenig gen Himmel sehen konnte. Und dort, rund dreieinhalb Meter über ihnen, blitzte die Sonne in einem grässlich scharfen Fallbeil.
    »Dann sagen wir Zack!«, rief Blutbrunn und griff nach der Reißleine. »Oder was, Leute?«
    »OUI!«, dröhnte die Antwort vom Revolutionsplatz.
    »Gebt mir ein Z!«, röhrte Blutbrunn.
    »Zett!«, brüllte die Menschenenge.
    »Gebt mir ein A!«
    »Aaah!«
    »Ich soll Sie von verschiedenen Leuten grüßen«, sagte

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