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Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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und einen Moment lang empfand ich Mitleid für diesen Mann. Er konnte sich dieser Affäre nicht dadurch entziehen, daß er zum Abendessen nach Hause fuhr.
    Im Handumdrehen war der Autokauf zu einer rohen Machtprobe zwischen der alten und der jungen Generation geworden, und sie würde so entschieden werden, wie es in solchen Situationen meistens der Fall war, nämlich mit einem monströ-
    sen Overkill aus Bitterkeit und Psychoterror. Regina war offenbar bereit zu dieser Machtprobe, auch wenn ihr Mann es nicht war. Aber ich wollte nichts damit zu tun haben. Ich stand auf und suchte den Weg zur Haustür.
    »Und du hast es zugelassen?« fragte Regina mich. Sie sah mich dabei sehr hochmütig an, als hätten wir nie zusammen gelacht, gemeinsam Pizzas gebacken oder gemeinsame Pick-nicks veranstaltet. »Dennis, ich muß mich sehr über dich wundern.«
    Das konnte ich nun nicht auf mir sitzen lassen. Ich hatte Armes Mutter immer recht gern gehabt, ihr aber auch nie ganz getraut; jedenfalls nicht mehr seit meinem achten Lebensjahr, als sich folgendes ereignete.
    Arnie und ich waren auf unseren Rädern in die Stadt gefahren, um die Kindervorstellung am Samstagnachmittag zu besuchen. Auf dem Rückweg vom Kino war Arnie vom Rad gestürzt, weil er einem Hund ausweichen wollte, und hatte sich dabei das Bein ziemlich böse aufgeschrammt. Ich setzte ihn auf meinen Gepäckträger und brachte ihn, mich für zwei abstrampelnd, nach Hause, und Regina fuhr anschließend mit ihrem Sohn sofort in die Notaufnahme des Krankenhauses, wo ein Arzt Arnie mit einem halben Dutzend Stichen nähte. Und dann, als schon alles vorbei war und auch feststand, daß Arnie nicht mal eine Narbe davontragen würde, fiel Regina plötzlich über mich her und hielt mir eine Standpauke, die sich gewaschen hatte. Sie kanzelte mich ab wie ein Stabsfeldwebel. Als sie damit fertig war, flatterte ich am ganzen Körper und hätte am liebsten losgeheult - zum Teufel, ich war erst acht, und an der Unfallstelle hatte es eine Menge Blut gegeben. Soweit ich die Details noch im Kopf habe, begann sie ihre Standpauke mit dem Vorwurf, daß ich nicht gut genug auf ihn aufgepaßt hätte -
    als wäre Arnie ein Baby gewesen und nicht gleichaltrig (oder gerade drei Wochen jünger als ich) -, und die Predigt endete damit, daß sie sagte (oder jedenfalls durchblicken ließ), daß eigentlich ich es verdient hätte, auf die Schnauze zu fallen.
    Und das schien sich nun - neun Jahre später - zu wiederholen - Dennis, du hast nicht richtig auf ihn aufgepaßt -, und deshalb wurde ich ebenfalls wütend. Daran war vermutlich mein nicht ganz ungetrübtes Verhältnis zu Regina nur teilweise schuld und, wenn ich ganz ehrlich bin, wahrscheinlich nur zum kleinsten Teil. Wenn man ein Kind ist (und kann man siebzehn nicht als die äußerste Grenze der Kindheit bezeichnen?), neigt man dazu, immer die Partei anderer Kinder zu ergreifen. Denn ein starker und unbeirrbarer Instinkt in diesem Alter sagt dir, daß du ein paar Zäune niederwalzen und ein paar Tore niederrei-
    ßen mußt, weil dich deine Eltern sonst - selbstverständlich aus den besten Motiven heraus - am liebsten bis in alle Ewigkeit in deinem Laufstall einsperren würden.
    Ich wurde wütend, aber ich mäßigte meine Stimme so gut es ging-wich habe gar nichts zugelassen«, sagte ich. »Er wollte den Wagen haben, und er kaufte ihn.« Vor ein paar Minuten hätte ich meiner Aussage noch hinzugefügt, daß ihr Sprößling, die Kiste bisher nur angezahlt hatte; aber das verkniff ich mir nun.
    Denn das verbot mir mein irischer Stolz. »Um bei der Wahrheit zu bleiben - ich versuchte, ihm den Wagen auszureden.«
    »Ich bezweifle, daß du dich dabei sehr angestrengt hast«, entgegnete Regina schroff. Sie hätte ebensogut sagen können: Halt mich doch nicht zum Narren, Dennis! Ich weiß ganz genau, daß du ihn dazu verführt hast! Sie hatte rote Flecken im Gesicht, und ihre Augen sprühten Funken. Sie versuchte, mich wieder auf mein Alter von acht Jahren zurückzustutzen. Sie stellte sich recht geschickt dabei an. Doch ich schlug zurück.
    »Ihr habt gar keinen Grund, euch so aufzuregen, wenn ihr die Sache nüchtern betrachtet. Er hat sich einen Gebrauchtwagen für zweihundertfünfzig Dollar gekauft und…«
    »Zweihundertfünfzig Dollar!« fiel mir Michael ins Wort.
    »Was für einen Wagen bekommt man denn schon für zweihundertfünfzig Dollar?« Vermutlich hatte er sich als Vater bisher herausgehalten, weil ihm die Szene peinlich war - oder hatte

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