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Dokument1

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Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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ERZIEHUNGSBERECHTIGTEN ODER
    DES VORMUNDS (WENN DER BESITZER DAS 18. LEBENSJAHR NOCH NICHT VOLLENDET HAT)

    »Was hältst du davon?« fragte ich Leigh.
    »Eine der Unterschriften befand sich auf einem der beiden Gipsstücke, die du mir gestern zeigtest«, sagte sie. »Welche?«
    »So hat er gleich nach meinem Unfall in Ridge Rock unterschrieben«, antwortete ich. »So hat seine Unterschrift immer ausgesehen. Und jetzt die andere.«
    Sie legte die zweite Kopie neben die erste. Dies war die Anmeldung für einen Neuwagen, eine 1958er Plymouth Limousine (4türig), mit rot-weißer Zweifarbenlackierung. Sie trug das Datum vom I.November 1957 - ich spürte einen heftigen Stich in meiner Brust, als ich die Übereinstimmung der beiden Zulassungsdaten bemerkte, und ein Blick in Leighs Gesicht verriet mir, daß sie es auch gesehen hatte.
    »Schau dir die Unterschrift an«, sagte sie tonlos.
    Ich tat es.

    UNTERSCHRIFT DES BESITZERS
    UNTERSCHRIFT DES ERZIEHUNGSBERECHTIGTEN ODER
    DES VORMUNDS (WENN DER BESITZER DAS 18. LEBENSJAHR NOCH NICHT VOLLENDET HAT)
    Das war Arnies Handschrift am Abend des Erntedankfestes; man brauchte kein Genie oder Handschriftenexperte zu sein, um das zu erkennen. Die Namen waren verschieden, aber die Schrift war absolut die gleiche.
    Leigh griff nach meinen Händen, und ich hielt sie fest.
    Was mein Vater in seiner Kellerwerkstatt bastelte? Spielzeug.
    Ich nehme an, das klingt ein bißchen sonderbar für Sie, aber das ist nun mal sein Hobby. Vielleicht mehr als nur ein Hobby -
    ich glaube, es hatte eine Zeit in seinem Leben gegeben, wo er vor der schwierigen Entscheidung stand, ob er nun aufs College gehen oder sich als Spielzeugmacher selbständig machen sollte. Wenn das stimmt, dann hat er, glaube ich, den sicheren Weg gewählt, nicht sein Herz sprechen lassen.
    Ellie und ich waren die Hauptnutznießer seines Hobbys; aber auch Arnie hatte Spielzeug von Vater unter zahlreichen Christ-bäumen und neben zahlreichen Geburtstagstorten vorgefunden, desgleichen Ellies beste Freundin aus Kindheitstagen, Aimee Carruthers (die inzwischen längst nach Nevada verzogen ist und von der am Familientisch nur noch in einem Ton gesprochen wird, mit dem man sich an viel zu jung und sinnlos verstorbene Bekannte erinnert), sowie viele andere Freunde.
    Mittlerweile spendete mein Vater den größten Teil seiner Produkte der Heilsarmee, und vor Weihnachten erinnerte mich der Keller immer an die Werkstatt des Weihnachtsmannes - bis kurz vor Heiligabend war sie vollgestellt mit sauberen Pappkartons mit Holzeisenbahnen, kleinen Werkzeugkisten, Uhren, die man aus vorgefertigten Teilen selbst zusammensetzen mußte und die tatsächlich die richtige Zeit zeigten; Stofftieren, ein oder zwei kleinen Puppentheatern. Sein Hauptinteresse galt den Holzspielzeugen (bis zum Vietnam-Krieg hatte er Bataillone von Spielzeugsoldaten hergestellt; doch in den letzten fünf Jahren waren sie nach und nach verschwunden - bis heute bin ich mir nicht sicher, ob ihm das überhaupt bewußt geworden war); aber wie ein guter Rasensprenger ließ mein Vater keinen Bereich aus. In der Woche nach Weihnachten klaffte dann eine Lücke. Die Werkstatt wirkte schrecklich leer, und nur der süße Duft der Sägespäne erinnerte uns daran, daß dort tatsächlich Spielzeug hergestellt worden war.
    In dieser Woche pflegte er seine Werkzeugmaschinen zu säubern und zu ölen und bereitete sie für das nächste Jahr vor.
    Und dann, wenn der Winter sich durch den Januar und den Februar schleppte, tauchten Rohmaterialien, die irgendwann zu Spielzeug verarbeitet wurden, wieder auf - Eisenbahnen und Ballerinen mit beweglichen Holzgelenken und roten Farb-tupfern auf ihren Wangen, eine Kiste mit Polstermaterial, das aus den Eingeweiden einer alten Couch stammte und später im Bauch eines Teddybären endete (mein Vater taufte alle seine Bären entweder Olivia oder Oliver - ich hatte vom zweiten Lebensjahr bis zur zweiten Klasse sechs Oliver-Bären verschlis-sen, und Ellie hatte etwa ebenso viele Olivia-Bären verbraucht), kurze Drahtenden, Knöpfe, platte und körperlose Glasaugen, die auf der Werkbank herumlagen wie in einer Horrorge-schichte. Zu guter Letzt erschienen dann die von einer Wein-großhandlung gestifteten Pappkartons, und erneut wurde das Spielzeug hineingepackt.
    In den letzten drei Jahren hatte er drei Anerkennungspreise von der Heilsarmee bekommen, die er jedoch in einer Schublade versteckt hielt, als schämte er sich ihrer. Ich begriff das damals nicht und

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