Dokument1
ordentlich aus, wie?«
»Großartig, Dad.«
Er setzte ein kleines trauriges Lächeln auf und zündete sich eine Winston an. Seit seinem Herzinfarkt hatte er das Rauchen fast vollständig aufgegeben, aber er hatte immer ein Päckchen Zigaretten im Haus, und hin und wieder genehmigte er sich eine, gewöhnlich, wenn er unter Streß stand. »Blödsinn. Es sieht verdammt leer aus.«
»Nun… stimmt.«
»Soll ich dir die Treppe hinaufhelfen, Dennis?«
Ich nahm die Krücken unter die Achseln. »Ich würde nicht nein sagen.«
Er betrachtete mich und grinste. »Long John Silver. Dir fehlt nur noch der Papagei auf der Schulter.«
»Wulst du dich jetzt über mich lustig machen oder mir helfen?«
»Dir helfen, schätze ich.«
Ich legte einen Arm um seine Schultern und kam mir irgendwo vor wie als kleines Kind - es brachte fast vergessene Erinnerungen zurück, wie er mich Sonntagabend immer hinaufgetragen hatte in mein Bett, nachdem ich mitten in der Ed-Sullivan-Show eingeschlafen war. Der Geruch seines Rasierwassers war immer noch der gleiche.
Oben angekommen, fing er noch einmal an: »Sag mir, wenn ich zu persönlich werde, Denny, aber Leigh geht nicht mehr mit Arnie, oder?«
»Nein, Dad.«
»Geht sie jetzt mit dir?«
»Ich… nun, ich weiß nicht. Ich glaube nicht.«
»Noch nicht, meinst du wohl.«
»Nun… ja, so könnte man es ausdrücken.« Mir war nicht wohl in meiner Haut, und das mußte zu sehen sein, aber er ließ nicht locker.
»Kann man sagen, daß sie vielleicht mit Arnie brach, weil er nicht mehr derselbe Mensch ist?«
»Ja. Ich glaube, so könnte man es ausdrücken.«
»Weiß er das von dir und Leigh?«
»Dad, da gibt es nichts zu wissen… jetzt noch nicht.«
Er räusperte sich, schien zu überlegen, sagte dann doch nichts. Ich ließ ihn los und griff wieder nach meinen Krücken.
Vielleicht strengte ich mich dabei mehr an, als nötig war.
»Zum Schluß noch ein kostenloser Rat«, sagte mein Vater schließlich. »Verrat ihm nicht, was da zwischen dir und ihr läuft - und vergiß die Beteuerungen, daß da gar nichts ist. Du willst ihm doch irgendwie helfen, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht, ob Leigh oder ich noch irgendwas für Arnie tun können, Dad.«
»Ich habe ihn zwei- oder dreimal gesehen«, sagte mein Vater.
»Tatsächlich?« erwiderte ich überrascht. »Wo?«
Mein Vater zuckte mit den Achseln. »Auf der Straße. In der Stadt. Libertyville ist ja nicht so groß, Dennis. Er…«
»Er was?«
»Schien mich kaum zu erkennen. Und er sieht älter aus. Seit er keine Pickel mehr hat, sieht er erheblich älter aus. Ich hatte immer geglaubt, er käme auf seinen Vater heraus; aber jetzt…« Er brach plötzlich ab. »Dennis, ist dir schon mal der Gedanke gekommen, daß Arnie unter einem Nervenzusammenbruch leidet?«
»Ja«, sagte ich und wünschte mir, ich könnte ihm sagen, daß es da noch andere Möglichkeiten gab. Schlimmere Möglichkeiten. Möglichkeiten, die meinem alten Herrn den Eindruck vermitteln mußten, daß ich derjenige war, der den Nervenzusammenbruch erlitten hatte.
»Sei vorsichtig«, sagte er, und obwohl er das Schicksal von Will Darnell mit keiner Silbe erwähnte, hatte ich das starke Gefühl, daß er jetzt daran dachte. »Sei vorsichtig, Dennis.«
Am folgenden Tag rief Leigh an und sagte, ihr Vater wäre zu einer Jahresabschluß-Konferenz nach Los Angeles bestellt worden und hatte sich spontan dazu entschlossen, die ganze Familie mitzunehmen, damit sie ein paar Tage der Kälte und dem Schnee entrinnen könnten.
»Meine Mutter war ganz begeistert von dieser Idee, und mir wollte einfach keine stichhaltige Ausrede einfallen. Es ist nur für zehn Tage, und die Schule beginnt nicht vor dem achten Januar.«
»Das klingt super«, sagte ich. »Ich wünsche dir viel Spaß.«
»Du meinst, ich soll mitfliegen?«
»Wenn du es nicht tust, solltest du deinen Kopf röntgen lassen.«
»Dennis?«
»Ja?«
Ihre Stimme wurde eine Idee leiser. »Du paßt doch auf dich auf, ja? Ich… ich habe in letzter Zeit oft an dich gedacht.«
Dann legte sie auf und ließ mich mit einem Gefühl der Überraschung und Wärme zurück - doch das schlechte Gewissen blieb, ein bißchen besänftigt vielleicht, aber es war da. Mein Vater hatte mich gefragt, ob ich Arnie zu helfen versuchte. Tat ich das? Oder schnüffelte ich nur in einem Bereich seines Lebens herum, den er ausdrücklich als tabu bezeichnet hatte… und spannte ich ihm nebenbei auch noch seine Freundin aus? Und was würde Arnie nun
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