Dokument1
Teufel, dachte ich, nervös und voller Groll gegen mich selbst. Genug ist genug, also vergiß es. Ich rufe ihn nicht an. Ich bin fertig mit dieser Geschichte. Laß ihn doch zur Hölle fahren in seiner Karre. Scheiß drauf.
»Scheiß drauf«, flüsterte ich und ging hinaus, bevor mein Gewissen zu bohren begann. Ich stieg die Treppe hinauf, wusch mich rasch und legte mich hin. Ich schlief schon tief und fest, ehe Ellie und meine Eltern zurückkamen, und ich schlief lange und ruhig in dieser Nacht. Das war gut, denn es dauerte sehr lange, bis ich wieder so gut schlafen konnte. Sehr, sehr lange.
Während ich schlief, tötete jemand - etwas - Rudolph Junkins von der Pennsylvania State Police. Es stand in der Zeitung, als ich am nächsten Morgen aufstand. ERMITTLER IM FALL DARNELL ERMORDET, schrie mich die Schlagzeile an.
Mein Vater war oben im Badezimmer und duschte; Ellie saß mit zwei Freundinnen im Wintergarten, kichernd und albernd bei einer Partie Monopoly; meine Mutter arbeitete im Nähzimmer an einer ihrer Kurzgeschichten. Ich saß ganz allein am Frühstückstisch, wie gelähmt vor Angst und Entsetzen. Mir fiel ein, daß Leigh morgen mit ihrer Familie aus Kalifornien zurückkehrte. Die Schule fing am Tag danach wieder an. Und wenn Arnie (oder LeBay) es sich nicht anders überlegen sollte, würde er ihr energisch den Hof machen.
Ich schob langsam den Teller mit den Rühreiern weg. Ich hatte keinen Appetit mehr. Gestern abend hatte ich noch an die Möglichkeit geglaubt, ich könne diese unerklärliche und unglaubliche Geschichte von Christine genauso leicht von mir wegschieben wie gerade den Frühstücksteller. Nun wunderte ich mich darüber, wie ich so naiv gewesen sein konnte.
Junkins war der Mann, den Arnie am Silvesterabend erwähnt hatte. Ich konnte mir nicht einreden, daß er vielleicht einen anderen gemeint hatte. In der Zeitung stand, er wäre der verantwortliche Ermittlungsbeamte in der Sache Will Darnell gewesen, und einiges deutete darauf hin, daß eine verschwommene kriminelle Organisation hinter dem Mord stehe. Die Südstaaten-Mafia, würde Arnie gesagt haben. Oder die verrückten Kolumbianer.
Ich sah das anders.
Junkins’ Wagen war auf einer einsamen Landstraße von der Fahrbahn abgekommen und dann bis zur Unkenntlichkeit zertrümmert worden,
(Dieser gottverdammte Junkins ist immer noch mit Volldampf hinter mir her, und er sollte besser aufpassen, oder jemand könnte ihm mit Volldampf auf die Füße treten… Bleib nur auf meiner Seite, Dennis.
Du weißt, was mit Scheißern passiert, die sich gegen mich stellen…) während Junkins noch darin saß.
Arnie war mit dem Schachclub in Philadelphia gewesen, als Repperton und seine Freunde getötet wurden. Als Darnell ermordet wurde, war Arnie mit seinen Eltern in Ligonier gewesen, um dort Verwandte zu besuchen. Wasserdichte Alibis.
Vermutlich auch für Junkins. Sieben - sieben Tote, die einen tödlichen Ring um Arnie Cunningham und Christine bildeten.
Die Polizei mußte das jetzt auch sehen; selbst ein Blinder mußte die lückenlose Kette gleichartiger Motive erkennen. Aber in der Zeitung stand nichts davon, daß jemand »die Polizei bei ihren Ermittlungen unterstützte«, wie die Briten es so delikat ausdrücken.
Selbstverständlich gehört es nicht zu den Gewohnheiten der Polizei, alles, was sie weiß, sofort den Zeitungsreportern wei-terzugeben. Das war mir klar, doch instinktiv wußte ich, daß die Staatspolizei im jüngsten Automobil-Mord nicht ernsthaft gegen Arnie ermittelte.
Er war in ihren Augen aus dem Schneider.
Was hatte Junkins auf der einsamen Landstraße bei Blairsville im Rückspiegel gesehen? Einen rot-weißen Wagen, dachte ich.
Vielleicht leer, vielleicht mit einer Leiche am Steuer.
Ich bekam eine Gänsehaut.
Sieben Menschen tot/
Das mußte aufhören. Allein schon aus Sorge, daß das Töten vielleicht zur Gewohnheit werden konnte. Falls Michael und Regina sich mit Arnies verrücktem Kalifornien-Projekt nicht einverstanden erklärten, könnten sie die nächsten Opfer sein.
Angenommen, Arnie ging am nächsten Dienstag gleich nach der Mittagspause zu Leigh und fragte sie, ob sie ihn heiraten wolle, und Leigh sagte schlicht und einfach nein. Wer mochte dann mit laufendem Motor am Bordsteinrand auf sie warten, wenn sie am Nachmittag nach Hause ging?
Himmel, hatte ich Angst!
Meine Mutter schaute herein: »Dennis, du ißt ja nichts!«
Ich blickte hoch. »Ich habe die Zeitung gelesen. Ich furchte, ich habe heute keinen
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