Dokument1
Hunger, Mom.«
»Du mußt tüchtig essen, oder du wirst nicht richtig gesund.
Soll ich dir Cornflakes machen?«
Mein Magen drehte sich schon bei dem Gedanken, aber ich lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein - dafür esse ich heute mittag um so mehr.«
»Ehrenwort?«
»Ehrenwort.«
»Denny, ist alles in Ordnung mit dir? Du siehst in letzter Zeit so müde und elend aus.«
»Mir geht es gut, Mom.« Ich zog mein Lächeln noch etwas in die Breite, um ihr zu zeigen, wie gut ich mich fühlte; und dann überwältigte mich die Vorstellung, wie sie vor dem Monroeville-Einkaufszentrum aus ihrem blauen Reliant stieg und ein Stück weiter ein rot-weiß lackierter Plymouth mit schnur-rendem Motor am Bordsteinrand. Vor meinem inneren Auge sah ich sie an dem Plymouth vorbeigehen, die Handtasche am Arm, sah, wie Christines Schalthebel in Fahrtstellung rückte…
»Stimmt das auch? Hast du keine Schmerzen mehr im Bein?«
»Nein.«
»Hast du deine Vitamintabletten genommen?«
»Ja.«
«Und deine Hagebutten?«
Ich brach in ein lautes Lachen aus. Sie blickte mich einen Moment lang gereizt an und lächelte schließlich. »Du bist ein unverschämter Bengel, Dennis Guilder«, sagte sie mit ihrem besten irischen Akzent (der ziemlich echt klingt, da ihre Mutter von dieser grünen Insel stammte), »daß du dich über deine Mom so lustig machst.« Und damit ging sie zurück ins Nähzimmer,, und kurz darauf hörte ich wieder das unregelmäßige Klappern der Schreibmaschine.
Ich nahm die Zeitung und betrachtete das Foto von Junkins’
verunglücktem Wagen. TODESWAGEN, lautete die Bildunterschrift.
Wie wäre es mit folgender Theorie, dachte ich: Junkins will nicht nur ermitteln, wer unversteuerte Zigaretten und verbotene Feuerwerkskörper an Will Darnell verkaufte. Junkins ist ein Detektiv, und die Detektive der Staatspolizei bearbeiten immer mehrere Fälle gleichzeitig. Vielleicht war er damit beauftragt, den Mörder von Moochie Welch zu finden. Oder…
Ich humpelte auf den Krücken zum Nähzimmer und klopfte.
»Ja?«
»Tut mir leid, daß ich dich störe, Mom…«
»Red keinen Unsinn, Dennis!«
»Fährst du heute in die Stadt?«
»Durchaus möglich. Warum?«
»Ich möchte mir etwas aus der Bibliothek holen.«
Gegen drei Uhr nachmittags an diesem Samstag begann es wieder zu schneien. Ich hatte leichte Kopfschmerzen von dem langen Starren in das Mikrofilm-Lesegerät; aber ich hatte gefunden, was ich suchte. Meine Intuition war auf der richtigen Spur gewesen - obwohl keine hellseherische Begabung dazu gehörte, die Zusammenhänge zu erkennen.
Junkins hatte die Ermittlungen in der Fahrerflucht-Mord-Sache Moochie Welch geleitet… und auch die Untersuchung Repperton, Trelawny und Bobby Stanton. Er hätte schon ein Brett vor dem Kopf haben müssen, wenn er nicht Arnies Namen zwischen den Zeilen der Ermittlungsakten gelesen hätte.
Ich lehnte mich in den Sessel zurück, schaltete das Lesegerät aus und schloß die Augen. Ich versuchte, mich eine Minute lang an Junkins’ Stelle^zu versetzen. Er verdächtigt Arnie der Mittäterschaft an diesen Morden. Zweifellos nicht als Täter, irgendwie beteiligt. Verdächtigt er Christine? Möglicherweise.
In den Fernsehserien sind die Detektive immer ganz groß, sie identifizieren Waffen, Schreibmaschinen, auf denen Erpresser-briefe geschrieben werden, Autos in Fahrerflucht-Fällen. Lacksplitter könnten sich…
Dann kommt die Polizeiaktion gegen Darnell. Für Junkins ist das ganz einfach riesig. Er kann Darnells Werkstatt schließen und alles, was sich darin befindet, beschlagnahmen. Vielleicht vermutet Junkins…
Was?
Ich kurbelte mein Kombinationsvermögen an. Ich bin ein Cop. Ich glaube an beweisbare Antworten, an logische Antworten. Also was muß ich vermuten? Nach einem Augenblick kam es.
Selbstverständlich einen Komplizen. Ich vermute, er hat einen Komplizen. Er muß einen Komplizen haben. Niemand, der seine Sinne beisammen hat, käme auf die Idee, daß der Wagen selbst die Tat begangen haben könnte. Also…?
Also holt Junkins, nachdem die Werkstatt von der Polizei geschlossen worden war, seine besten Techniker, die er zusam-mentrommeln kann. Sie nehmen Christine gründlich unter die Lupe und suchen nach Beweisen für das, was geschehen ist.
Denn ein menschlicher Körper ist kein Federbett. Und eine Schranke am Eingang des Squantic-Hills-Naturparks ist auch kein Federbett.
Und was finden die Experten für Mordautos?
Nichts.
Sie finden keine Dellen, keine
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