Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
Vom Netzwerk:
worden.
    »Ja«, sagte ich. »Mir ist nur ein bißchen schwindelig. Laß uns ins Haus gehen. Du frierst dir noch den Hintern ab.«
    Er ging mit mir die Treppe hinauf, den Arm immer noch um meine Hüfte. Ich war froh über seine Nähe.
    »Ist Mom noch auf?« fragte ich.
    »Nein - gleich nach dem Rutsch ins neue Jahr sind sie und Ellie zu Bett gegangen. Bist du betrunken, Dennis?«
    »Nein.«
    »Du siehst gar nicht gut aus«, sagte er, als er die Haustür schloß.
    Ich stieß ein verrücktes schrilles Lachen aus, und abermals zog diese graue Wolke über mich hin, allerdings nur sehr kurz.
    Als ich wieder völlig bei mir war, betrachtete er mich mit banger Sorge.
    »Was ist in Arnies Hatis geschehen?«
    »Dad —«
    »Dennis, sag es mir!«
    »Dad, ich kann nicht.«

    »Was ist mit ihm los? Was fehlt ihm, Dennis?«
    Ich schüttelte nur den Kopf, wobei ich nicht nur an deri Wahnwitz dachte oder an die Gefahr, in der ich schwebte.
    Nun hatte ich Angst um sie alle - um meinen Dad, um meine Mom, Elaine und Leighs Eltern. Es war eine ganz nüchterne, kalte und logische Angst.
    Bleib nur auf meiner Seite, Dennis. Du weißt, was mit Scheißern passiert, die sich gegen mich stellen.
    Hatte ich das tatsächlich gehört?
    Oder war das nur eine Stimme in meinem Kopf gewesen?
    Mein Vater sah mich immer noch an.
    »Ich kann nicht.«
    »Also gut«, sagte er, »für den Augenblick soll’s gut sein.
    Aber eines muß ich sofort wissen, Dennis. Hast du Anlaß zu glauben, daß Arnie auf irgendeine Weise etwas mit Darnells Tod und dem Tod der jungen Leute zu tun hat?«
    Ich dachte an LeBays verwesendes grinsendes Gesicht, an die platte Jeanshose, unter der sich etwas abzeichnete, was nur Knochen gewesen sein konnten.
    »Nein«, sagte ich, und das war fast die Wahrheit. »Nicht Arnie.«
    »Okay«, sagte er. »Soll ich dir die Treppe hinaufhelfen?«
    »Ich schaffe es allein. Geh wieder ins Bett, Dad.«
    »Ja, das werde ich auch tun. Glückliches neues Jahr, Dennis - und wenn du mir etwas sagen möchtest, ich bin hier.«
    »Ich habe dir nichts zu sagen«, erwiderte ich.
    Nichts, was ich ihm sagen konnte.
    »Irgendwie«, sagte er, »habe ich daran meine Zweifel.«
    Ich ging hinauf, legte mich ins Bett und ließ das Licht an und schlief überhaupt nicht. Es war die längste Nacht meines Lebens, und ein paarmal war ich versucht, aufzustehen und hinüberzugehen in das Schlafzimmer meiner Eltern, wie ich das als kleines Kind getan hatte. Und einmal ertappte ich mich tatsächlich dabei, wie ich aus dem Bett stieg und nach den Krücken griff. Ich legte mich wieder hin. Ich hatte Angst um sie alle; ja, richtig. Aber das war nicht das Schlimmste. Nicht mehr.

    Ich hatte Angst, meinen Verstand zu verlieren. Das war das Schlimmste.
    Die Sonne schob sich gerade über den Horizont, als ich endlich einnickte und drei oder vier Stunden unruhig schlief.
    Und als ich aufwachte, hatte mein Verstand bereits mit dem Versuch begonnen, sich selbst zu heilen und das Erlebte ins Irreale zu verweisen. Mein Problem bestand darin, daß ich es mir nicht länger leisten konnte, mich weiter einlullen zu lassen.
46 Noch einmal George LeBay
    That fateful night the car was stalled Upon the railroad track,
    I pulkd you out and you were safe,
    But you went running back …
    - Mark Dinning
    Am Freitag, dem fünften Januar, erhielt ich eine Postkarte von Richard McCandless, dem Geschäftsführer des American Legion, Libertyville. Auf der Rückseite der Postkarte stand George LeBays Heimatadresse in Paradise Falls, Ohio. Ich trug die Karte fast den ganzen Tag lang in meiner Hüfttasche mit mir herum, nahm sie gelegentlich heraus und betrachtete sie.
    Ich wollte ihn nicht anrufen; ich wollte mit ihm nicht noch einmal über seinen verrückten Bruder Roland reden; ich wollte nicht, daß diese verrückte Geschichte noch eine Fortsetzung erfährt.
    An diesem Abend fuhren meine Eltern mit Ellie zum Monroeville-Einkaufszentrum. Ellie wollte von ihrem Weihnachts-geld ein Paar Abfahrtsski kaufen. Sie waren eine halbe Stunde weg, als ich zum Telefonhörer griff. McCandless’ Postkarte lehnte an einer Blumenvase. Von der Vermittlung erfuhr ich, daß Paradise Falls die Vorwahl 513 - West-Ohio - hatte. Nach einer Besinnungspause rief ich die Auskunft an und ließ mir LeBays Nummer geben. Ich notierte sie auf der Postkarte, legte abermals eine, diesmal längere, Besinnungspause ein, und dann nahm ich den Hörer zum drittenmal auf. Ich wählte LeBays Nummer zur Hälfte und legte auf. Zum

Weitere Kostenlose Bücher