Dokument1
Buch sinken.
»Willkommen im Land der Lebenden, Dennis«, sagte er leise und legte bedächtig ein Streichholzbriefchen als Lesezeichen in das Buch, ehe er es zuklappte. Dann faltete er seine Hände darüber.
»Sind Sie ein Arzt?« fragte ich. Jedenfalls war er ganz bestimmt nicht Dr. Arroway, der mich nach meinem letzten Unfall betreut hatte; dieser Typ war mindestens zwanzig Jahre jünger und bestimmt fünfzig Pfund leichter als der Chirurg.
Und er sah ziemlich robust aus
»Ich bin Inspektor der Staatspolizei«, antwortete er. »Richard Mercer ist mein Name. Rick für dich.« Er streckte mir die Hand hin, und indem ich mich vorsichtig streckte, konnte ich seine Hand sogar berühren. Richtig drücken konnte ich sie nicht.
Mein Kopf tat weh, und ich war schrecklich durstig.
»Hören Sie«, sagte ich, »ich habe wirklich nichts dagegen, mich mit Ihnen zu unterhalten und alle Ihre Fragen zu beantworten; aber ich möchte erst einmal einen Arzt sprechen.« Ich schluckte. Er sah mich besorgt an, und ich sprudelte heraus:
»Ich muß wissen, ob ich jemals wieder gehen kann.«
»Wenn dieser Typ Arroway mir die Wahrheit gesagt hat«, erwiderte Mercer, »wirst du in ungefähr vier bis sechs Wochen wieder humpeln können. Du hast es nur ziemlich stark verrenkt; jedenfalls hat er das zu mir gesagt. Deswegen ist es auch angeschwollen wie eine Wurst. Er meinte, du hättest Glück gehabt, weil du so glimpflich davongekommen bist.«
»Was ist mit Arnie?« fragte ich. »Arnie Cunningham? Wissen Sie das zufällig auch?«
Seine Augen zuckten.
»Was ist mit ihm?« fragte ich. »Was ist mit Arnie?«
»Dennis«, erwiderte er und zögerte dann. »Ich weiß nicht, ob das der richtige Zeitpunkt dafür ist.«
»Bitte. Ist Arnie… ist er tot?«
Mercer seufzte. »Ja, er ist tot. Er und seine Mutter hatten einen Unfall auf der verschneiten Pennsylvania-Autobahn.
Vorausgesetzt, es war tatsächlich ein Unfall.«
Ich versuchte zu sprechen und konnte nicht. Ich deutete auf die Wasserkaraffe auf meinem Nachttisch und dachte, wie deprimierend es doch war, wieder in einem Krankenzimmer liegen zu müssen und genau zu wissen, wo alles stand. Mercer goß mir ein Glas Wasser ein und steckte einen Strohhalm in das Glas. Ich trank, und es wurde ein bißchen besser. Mein Hals, meine ich. Sonst schien sich nichts gebessert zu haben.
»Was meinen Sie damit, vorausgesetzt, es war ein Unfall?«
Mercer sagte: »Es war am Freitagabend, und der Schnee war noch gar nicht so schlimm. Der Straßenzustand der Autobahn war zufriedenstellend - keine Schneeglätte, nur nasse Fahrbahn, beschränkte Sicht, gut zu fahren, wenn man entsprechend vorsichtig war. Wir vermuten, aufgrund der Bremsspur und der Schäden am aufprallenden Fahrzeug, daß die Geschwindigkeit höchstens siebzig Stundenkilometer betrug.
Der Wagen überfuhr den Mittelstreifen und prallte dann gegen einen Sattelschlepper. Es war Mrs. Cunninghams Kombi. Er explodierte.«
Ich schloß die Augen. »Regina?«
»Ebenfalls tot. Wenn es dir ein Trost sein kann, dann haben sie vermutlich nicht… »
»… gelitten«, beendete ich den Satz. »Scheiße. Sie haben mehr als genug gelitten.« Ich spürte Tränen aufsteigen und würgte sie hinunter. Mercer sagte nichts. »Alle drei«, murmelte ich. »Oh, gütiger Himmel, alle drei.«
»Der Fahrer des Sattelschleppers brach sich einen Arm, mehr ist ihm nicht passiert. Er behauptet, es wären drei Leute in dem Wagen gewesen, Dennis.«
»Drei!«
»Ja. Und er behauptet, es sah so aus, als würden sie miteinander ringen.« Mercer sah mich offen an. »Wir gehen von der Theorie aus, daß sie irgendwo einen Anhalter mitnahmen, der nach dem Unfall flüchtete, ehe die Polizei die Unfallstelle erreichte.«
Aber das war absurd, wenn man Regina Cunningham gekannt hatte, dachte ich. Sie würde ebenso wenig einen Anhalter mitnehmen wie Jeans zu einem Fakultäts-Empfang tragen. Dinge, die man tat und die man niemals tat, waren in Regina Cunninghams Geist fest eingemeißelt. Wie in Zement, konnte man sagen.
Es mußte LeBay gewesen sein. Er konnte unmöglich an zwei Stellen zugleich sein. Das war das Problem. Und am Ende, als er sah, wie das Duell in Darnells Werkstatt ausgehen würde, hatte er Christine aufgegeben und versucht, sich wieder seines Freundes zu bemächtigen. Was dann passierte, weiß niemand.
Aber ich dachte damals - und halte noch heute daran fest -, daß Arnie sich zur Wehr setzte.
»Tot«, sagte ich, und jetzt kamen mir doch die Tränen. Ich
Weitere Kostenlose Bücher