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Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Hudson Hörnet nicht, den er in dem Jahr nach seiner Heirat kaufte.«
    »Er war verheiratet?«
    »Das hat er Ihnen wohl nicht erzählt, wie?« entgegnete LeBay. »Ja, er war außerordentlich gesprächig, was sein bewegtes Berufsleben anlangte - seine Kriegserlebnisse, seine Garni-sonserlebnisse, seine endlosen Konfrontationen mit den >Schei-
    ßern< - aber über Veronica oder Rita hat er nie was gesagt.«
    »Wer waren die beiden?«
    »Veronica war seine Frau«, antwortete LeBay. »Sie heirateten 1951, ehe Rollie nach Korea abkommandiert wurde. Er hätte in den Staaten bleiben können, verstehen Sie? Er war verheiratet, seine Frau war schwanger und er selbst schon über vierzig.
    Aber er ließ sich lieber nach Korea versetzen.«
    LeBay sah gedankenverloren zu dem leeren Spielplatz hin-
    über. »Es war Bigamie, verstehen Sie? 1951 war er vierundvier-zig Jahre alt und bereits verheiratet. Verheiratet mit der Armee und den >Scheißern<.«
    Er schwieg eine Weile. Es war ein bedrückendes Schweigen.
    Nach einer Weile fragte ich: »Geht es Ihnen nicht gut?«
    »Doch«, sagte er, »es tut nur weh, wenn man nichts Gutes von einem Toten berichten kann.« Er sah mich wieder an, äußerlich ruhig, aber seine dunklen Augen blickten verletzt.
    »Erinnerungen, die alte Wunden wieder aufreißen - wie war doch gleich Ihr Vorname, junger Mann? Ich singe ungern jemandem alte traurige Lieder vor, den ich nicht mal mit seinem Vornamen anreden kann. War es Donald?«
    »Dennis«, verbesserte ich ihn. »Hören Sie, Mr. LeBay…«
    »Es tut mehr weh, als ich ahnte«, fuhr er fort. »Aber da ich schon einmal damit angefangen habe, muß ich es auch zu Ende bringen, nicht wahr? Ich habe Veronica nur zweimal getroffen.
    Sie kam aus Wheeling, West Virginia. Sie war das, was wir damals eine Südstaaten-Pommeranze nannten, nicht besonders intelligent, und Rollie hatte sie fest im Griff. Sie kuschte aufs Wort, und das war wohl genau das, was er sich als Partnerin vorgestellt hatte. Sie liebte ihn, glaube ich - wenigstens bis zu dem Tag, wo diese traurige Geschichte mit Rita passierte. Was Rollie betrifft, so hatte er meiner Ansicht nach keine Frau geheiratet, sondern eine Art Klagemauer.
    Die Briefe, die er uns schickte… nun, ich hatte ja schon gesagt, daß er früh die Schule verlassen hatte. So erbärmlich und orthographisch falsch sie auch waren - für meinen Bruder waren sie gewissermaßen Meisterleistungen, die er mit großer Mühe zustandebrachte, seine großen kreativen Schöpfungen -
    seine Hängebrücke, sein Roman, seine Symphonie. Ich glaube nicht, daß er sie verfaßte, um das Gift in seinem Herzen loszuwerden. Ich denke, er schrieb sie, um das Gift zu verbreiten.
    Als er Veronica hatte, schrieb er keine Briefe mehr. Er hatte nun sein Publikum, und er brauchte uns nicht mehr. Ich nehme an, daß er aus Korea seine Klagebriefe an Veronica adressierte.
    Ich bekam nur einen einzigen Brief in den beiden Jahren, als er in Korea diente, und meines Wissens bekam Marcia zwei. Als im Frühjahr 1952 seine Tochter geboren wurde, war das für ihn kein Grund zur Freude, sondern Anlaß zu neuen Klagen, daß er jetzt noch jemanden durchfüttern müsse und die >Scheißer< ihn noch mehr ausbeuteten.«
    »Ist er denn nie befördert worden?« fragte ich. Im letzten Jahr hatte ich einen Teil der Fernsehserie Once An Eagle gesehen.
    Am anderen Tag kaufte ich mir die Taschenbuchausgabe, weil ich glaubte, es wäre ein guter Kriegsroman. Wie sich heraus-stellte, bekam ich beides, Krieg und Frieden und ein paar Einblicke in die Streitkräfte. Daher wußte ich, daß der Beförde-rungszug in Kriegszeiten mit Volldampf fuhr. Deshalb war es für mich schwer begreiflich, daß LeBay schon Anfang der zwanziger Jahre zur Armee ging und trotz zweier Kriege immer noch zum niederen Fußvolk gehörte, als Ike Präsident wurde.
    LeBay lachte. »Er war ein Typ wie Pruitt in Verdammt in alle Ewigkeit. Er wurde befördert und ein paar Monate später wegen Befehlsverweigerung, Beleidigung eines Vorgesetzten oder Trunkenheit wieder degradiert. Sagte ich nicht schon, daß er ein paarmal in den Bau gewandert ist? Einmal hat er in Fort Dix während einer Party im Offiziersclub in die Pfirsichbowle gepinkelt. Er bekam nur zehn Tage verschärften Arrest, weil die Offiziere sich vermutlich daran erinnerten, daß sie so einen Streich auf der Akademie selbst ihren Ausbildern gespielt hatten - sie hatten gar keine Vorstellung, wieviel Haß und tödliche Verachtung hinter diesem

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