Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)
klobige Schuhe an den Füßen haben. Von der Höhe ihres Kompaktors herunter schenkt Antonietta ihnen kaum Beachtung. Aber es gibt welche, die sind draufgängerischer und steigen zum Führerhaus hinauf, stellen ihr Fragen, sagen ihr, wie tüchtig sie sei, wie geschickt sie sich anstelle und auch: was für schönes Haar sie habe, und das ist der schwache Punkt der jungen Dame, und dass sie richtig einknickt, merke ich dann an der Art, wie sie über die Abfälle drüberfährt, nämlich in Schlangenlinien, und wie sie ganz krumme Furchen hinterlässt, sodass ich noch einmal mit meinem Gerät drüberstampfen muss, wodurch meine Routine aus dem Takt gerät.
Und dann kamen die sommerlichen Hitzewellen. Wir hatten den ersten Deponieabschnitt beinahe aufgefüllt. Nur noch ein paar Dutzend Lastwagenladungen, und wir würden die Folien über den Haufen ziehen und diesen dann mit Erde zudecken. Ich hatte schon einen Landwirt zurate gezogen, der mir die oberste Bodenschicht von einem seiner Felder überlassen würde, bevor er dasselbe Feld an einen anderen, auch einen Kiesgrubenbetreiber, verkaufte. Immer auf Zack, wir Kiesleute! Da kommt plötzlich der Umweltdezernent daher, weil Leute von der Provinzverwaltung ihn angerufen und ihm gesagt haben, dass sämtliche Deponien der Region von Hausabfällen nur so überquellen würden, und er fragt mich so, wie man einen Bruder fragt, ob sie mir etwas Hausmüll bringen könnten, zehn Prozent der üblichen Tagesmenge, das sei so auch gesetzlich geregelt. Ich denke nach und sage: ›Erlauben Sie, Signor Dezernent, aber ich muss erst ein paar Überlegungen anstellen.‹ Ich brauche etwas Zeit, weil das eine Frage ist, die man gut abwägen muss. Ich müsste wissen, von welcher Konsistenz das Material ist, müsste seine Dichte kennen, wie viel Platz es einnehmen wird und ob der Preis dafür mit dem der anderen Abfälle mithalten kann. Ich zerbreche mir den Kopf, um ein bisschen nachzurechnen, ohne dass Filiberto, an dessen technischen Sachverstand ich appelliert hatte, sich dazu herabgelassen hätte, mir dabei zu helfen. Dieser Typ macht überhaupt keine Nanosekunde von dem, was man eine Überstunde nennen könnte: Um halb acht Uhr abends ist für den Feierabend, und er verschwindet mit seinem R4, dessen Rot auch schon mal schöner geleuchtet hat. Ich bin mir unschlüssig: Für Hausmüll gibt es gutes Geld, aber ich habe keine Erfahrung damit. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, welche Konsequenzen eine solche Entscheidung haben könnte. Ich bin mir unsicher, weil es sich um Material handelt, das viel Platz beansprucht, und Platz ist Geld, während die Zeit bloß eine Erfindung des Menschen ist! Außerdem enthalten Hausabfälle organische Stoffe, die, wie man in unserer Branche sagt, ›problematisch‹ sind.
Na ja, wie soll man Nein sagen, wenn man ein Mindestmaß an Bürgersinn besitzt und von einem Dezernenten jede Stunde einmal angerufen wird, der, zusammen mit irgendeinem Hansel von der Provinzverwaltung, für die Sache bürgt … Also treffen aus wer weiß welchen Kommunen Müllautos ein, und bei denen brauchen nicht einmal Analysen durchgeführt zu werden. Die durch ihre ungewöhnliche Form auffallenden Fahrzeuge schlängeln sich schnell durch den Lastwagen-Urwald hindurch und laden ganze Kaskaden von schwarzen, aufgequollenen Säcken ab. In großer Eile werden diese von mir und Antonietta zerquetscht. Sie zerplatzen mit einem Knall, und das Plastikzeugs zerfetzt. Bei dieser ganzen Rutschpartie heulen die Stampffüße der Kompaktoren regelrecht auf. Was aus den Säcken herausquillt, ist ein widerwärtiger Brei aus Pizzaresten, Tiefkühlpackungen, Kohlblättern, verdorbenem Brokkoli, Polentagerichten, Damenbinden, krümeligen Béchamelsoßen und Fischgräten. Antonietta macht bei dem ganzen Gestank schlapp und vergisst, das schwere Gerät zu lenken, was zur Folge hat, dass sich der Müllverdichter einen Moment lang wie ein Kreisel um sich selbst dreht. Ich bringe sie in Sicherheit. Zum ersten Mal im Leben sehe ich über Antoniettas rundliches Gesicht eine Träne rinnen.
›Ich komme nicht mehr‹, schluchzt sie.
Als Antwort habe ich ihr eine gescheuert. Aber sie ist tatsächlich nicht mehr gekommen. Es war nichts zu machen. Sie hat sich immer wieder erbrochen und konnte überhaupt nichts mehr bei sich behalten. Am Ende hat sie gar nichts mehr gegessen und wurde dünn wie ein Spargel.«
9. D EZEMBER
Und wenn Klema nun ein katholischer Integralist wäre, mit der fixen Idee, die
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