Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)

Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)

Titel: Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fulvio Ervas
Vom Netzwerk:
der Verkäuferinnen davor bewahren, in die Vulgarität abzugleiten.

    Die Eltern der zuletzt attackierten Elena Ricci hatten Stucky erzählt, dass ihre Schwester, die nicht mehr bei der Familie lebte, fünf Jahre zuvor eine schlimme Erfahrung gemacht hatte. Sie arbeitete damals als junge Verkäuferin in einem Bekleidungsgeschäft und hatte eine Auseinandersetzung mit einem Kunden, die in einen tätlichen Angriff ausartete. Der Vorfall war angezeigt worden, und der Inspektor hatte in den Akten gekramt. Tatsächlich war es die Schwester gewesen, die auf den Kunden losgegangen war, und dieser war übel zugerichtet worden, und so war auch er es gewesen, der Anzeige erstattete. Es war zu einem Prozess mit entsprechender Entschädigungszahlung gekommen, obwohl das Mädchen ihr Verhalten als Reaktion auf – nicht erfolgte – Belästigungen seitens des Kunden hingestellt hatte.
    Sie hatte daraufhin den Dunstkreis der vornehmen Geschäfte verlassen und war auf dem Wochenmarkt an der Porta San Tommaso gelandet, der jeden Mittwoch- und Samstagvormittag abgehalten wurde, während man sie in der restlichen Zeit an den Ständen des Flohmarkts antraf. Stucky machte sie hinter einem Haufen blassgrüner Wirsingköpfe und gewaltiger Lauchstangen aus. Sie hatte sich dem merkantilen Nomadentum verschrieben, das das Morgengrauen schon auf der Straße erlebte und auf den fast menschenleeren Plätzen den ersten Espresso des Tages zu sich nahm. Der Inspektor kaufte ein Kilo Clementinen, und das Mädchen hielt jede einzelne Frucht hoch und fragte ihn: »Ist diese hier recht, Signore?« Diese Höflichkeit sagte ihm zu, und die Früchte landeten der Reihe nach in einer Papiertüte. Es war etwas Besonderes, den Morgen so zu verbringen, ein bisschen weiter unten frischen Asiago zu kaufen und dann in der Bar an der Ecke ein Glas Wein zu trinken. Auch in Venedig hatte es solch goldene Gelegenheiten gegeben, sich die Zeit zu vertreiben, ohne Eile herumzuspazieren und einfach mal nachzudenken.
    »Sind Sie Signorina Ricci?«, fragte er, verunsichert wegen des Erscheinungsbilds der Frau, die etwas schwerfällig aussah in ihrem Mantel, dem dicken Schal und vor allem wegen einer gewissen Unachtsamkeit in Ernährungsfragen, durch die sie sich weit von den gertenschlanken Gestalten im Stadtzentrum entfernt hatte.
    »Ich weiß nichts über meine Schwester«, sagte die Frau, während sie nach einem neuen Kunden Ausschau hielt.
    »Nicht einmal, dass sie attackiert wurde?«
    »Nichts Näheres.«
    »Nichts Näheres?«
    »Ich habe seit einiger Zeit keinen Kontakt mehr zu meiner Familie. Wir verstehen uns nicht.«
    »So was kommt vor. Auch Sie sind einmal Opfer eines Angriffs geworden. Das muss eine fürchterliche Erfahrung gewesen sein …«
    »Eine Belästigung. Er hat mich angefasst … Aber wohl kaum mit den gleichen Absichten wie der Mistkerl, der Elena angepöbelt hat.«
    »Sie glauben nicht, dass es irgendeine Verbindung geben könnte?«
    »Dass es sich um denselben Mann handeln könnte?« Die Frau brach in Gelächter aus. »Sie sind mit Ihrem Latein wohl am Ende, was?«, schob sie hinterher.
    »Wir gehen jeder Möglichkeit nach.«
    »Im Ernst? Und meinen Personenstand, den haben Sie nicht überprüft? Wissen Sie überhaupt, mit wem ich verheiratet bin?«
    »Ja, ja, schon gut …«
    »Ist das Ihnen wirklich klar? Mit dem Belästiger! Es war wichtig, dass die Entschädigungssumme in der Familie blieb. Nein, jetzt mal im Ernst: Der hat mich verfolgt, weil er hoffnungslos verknallt war. Eine einmalige Gelegenheit! Nein, das hat wirklich nichts mit der Geschichte meiner Schwester zu tun. Die Welt der Verkäuferinnen, die im Stadtzentrum arbeiten, ist eine völlig andere. Die werden von allen umschwirrt.«
    »Erwähnen Sie ja nicht Drogen, Prostitution, Waffen- und Organhandel.«
    Er sah, wie sie lächelte.

    Stucky hatte sich an die Ricci-Schwester gewandt, obwohl er genau wusste, dass es nichts bringen würde, fast so, als wolle er damit das Problem verscheuchen. Der Mord an den Eheleuten Barbisan, der Fall, der ihn im Polizeipräsidium berühmt gemacht hatte, eine Blitzlösung innerhalb von zwei Tagen, veranlasste ihn, sich auch hier in die kleinen Seitengassen der Unwahrscheinlichkeit vorzuwagen. Obwohl er ganz genau wusste, wie unklug seine Vorgehensweise war.
    Die mit weihnachtlichem Flitter verzierte Stadt, die verlockenden Schilder und Dekorationen, verführten ihn dazu, an den Fassaden der hundertmal bewunderten Palazzi hoch zu blicken, die noch

Weitere Kostenlose Bücher