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Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)

Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)

Titel: Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Hanover
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dazwischengekommen.«
    »Willst du es probieren?«
    »Na gut«, erwiderte sie.
    Sie hatte erwartet, dass er ihr den Krug geben würde, aber stattdessen hob er den Arm, rief die Bedienung und kaufte ihr einen eigenen Krug. Es schmeckte vielschichtig und schwer, der Alkohol verbarg sich in einem üppigen Reigen von Geschmacksnoten. Ihm fehlte die herbe Reinheit des verstärkten Weins. Wie hatte Hauptmann Wester es formuliert? Sie sturzbesoffen machen, damit sie die Beine breit macht. Das kam ungefähr hin.
    Es kam ihr in den Sinn, dass Sandr kein Mann mit einer großen Bandbreite an Strategien war.
    »Ich erinnere mich nicht an meine Eltern«, sagte Cithrin. »Die Bank hat mich großgezogen, mir Kleider und Lehrer bezahlt.«
    »Du musst sie geliebt haben«, sagte Sandr, verkörperte die Rolle des Tröstenden mit der Stimme und presste den Oberschenkel mit ein wenig mehr Inbrunst an ihren. Dennoch dachte Cithrin über die Frage nach.
    Hatte sie Magister Imaniel geliebt? Sie nahm es an. Sie hatte ganz gewiss Cam geliebt und Besel gewollt. Sie hatte um sie alle geweint, als die ersten Neuigkeiten eingetroffen waren. Aber jetzt weinte sie nicht. Die Trauer war noch nicht fort, aber es gab etwas anderes daneben. Das furchterregende Gefühl, dass alles möglich war.
    »Vermutlich war das so«, sagte sie.
    Er nahm sie bei der Hand, als hätte er Mitgefühl. Seine Stirn legte sich in Falten, und er beugte sich zu ihr.
    »Es tut mir so leid, Cithrin«, sagte er, und zu ihrer Überraschung stiegen ihr Tränen in die Augen. Das konnte nicht richtig sein.
    Sandr beugte sich vor, um ihr mit seinem Ärmelsaum sanft die Augen trocken zu tupfen. Um die Tränen fortzuwaschen, die er herbeigeführt hatte. Der stechende Abscheu, den sie bei dieser kleinen Heuchelei empfand, klärte viele Fragen.
    »Hauptmann Wester!«, keuchte sie, und Sandr ließ ihre Hand fallen, als hätte sie ihn gebissen. Er spähte hinter dem Tuch hervor.
    »Wo?«, fragte er.
    »Er ist gerade eben in den anderen Raum gegangen«, sagte Cithrin. »Geh, Sandr. Ehe er dich sieht!«
    Sandr schluckte, nickte einmal und glitt von der Bank, auf dem Weg zur Hintertür, die hinaus in die Gasse führte. Cithrin sah ihm nach, dann griff sie hinüber und zog auch seinen Krug zu sich. Das Hühnchen passte tatsächlich gut dazu. Während sie trank, schweiften ihre Gedanken ab. Sie war nicht wütend auf Sandr, aber sie konnte sich nicht dazu überwinden, ihn zu respektieren. In einer anderen Nacht hätte sie vielleicht zugelassen, dass die Szene sich weiterentwickelte, wenn auch nur, um zu sehen, wohin sie führte. Aber es wurde zunehmend deutlicher, dass Meister Kit vorhatte, einige Zeit in Porte Oliva zu bleiben. Da sie nicht sicher war, wann oder wie sie die Stadt verlassen würde, hätte es die Dinge gewiss schwieriger gemacht, wenn sie eine solche Beziehung einging. Und was, wenn sie schwanger wurde? Dann würde alles zusammenbrechen. Es war leichter, sich herauszuhalten, als anschließend herauszukommen. Dennoch fragte sie sich, wie es wohl gewesen wäre. Ihre Gedanken kehrten zurück zum Mühlenweiher, dem Schnee auf ihrer Haut, dem Gewicht des Jungen auf ihr.
    Sie trank ihr zweites Bier aus und wandte sich wieder dem verstärkten Wein zu. Alkohol hätte eigentlich ihren Verstand aufweichen sollen, aber er fühlte sich alles andere als weich an. Oder zumindest nicht auf eine Weise, die ihr Bewusstsein beeinträchtigte. Sie war natürlich entspannter. Der allgegenwärtige Knoten in ihren Eingeweiden war lockerer, und sie fühlte sich wohler in ihrer Haut. Aber ihre Gedanken waren klar wie eh und je. Womöglich klarer. Sie hatte das Gefühl, dass sich gleich unterhalb ihres bewussten Denkens riesige Gedanken regten, dass ihr Verstand mit einer Geschwindigkeit verglich und plante, mit der sie nicht ganz mithalten konnte. Sie aß ein paar von den eingelegten Karotten, trank den Wein aus und beschaffte sich einen weiteren Krug Bier.
    Als sie aus der Tür trat, war die Sonne bereits untergegangen. Porte Oliva räkelte sich im grauen Zwielicht. Laternen flackerten und glühten, Männer und Frauen huschten durch die Straßen, darauf bedacht, nach Hause zu kommen, ehe das Zwielicht ganz verblasst war. Die Luft war kalt, aber nicht eisig. Dies war weniger ein milder Winterabend als ein sehr frischer Frühling. Sie ließ sich die Straße entlangtreiben, ihr Verstand rührte an Gedanken, wälzte sie herum, ließ sie wieder fallen: die Beobachtung, wie alt Sandr auf der Bühne wirkte

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