Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
und wie jung, wenn er nicht mehr darauf stand. Die Leere in ihrem Herzen, die der Tod von Magister Imaniel und Cam verursacht hatte, das beinahe schwindelerregende Bedürfnis, sie zu füllen, und ihre beinahe nüchterne Distanz vom Schmerz. Die anstehende Reise nach Carse, um Reichtümer zu schmuggeln, die sie nicht gestohlen hatte. Die Bücher mit den Aufzeichnungen der Bank, deren Summen und Ziffern die Geschichte von der Gründungsurkunde bis zum letzten Ansturm des fliehenden Adels nachzeichneten. Opals Verrat und Hauptmann Westers Treue. Sie erinnerte sich an etwas, das Meister Kit über die Form von Westers Seele gesagt hatte, und fragte sich, welche Form ihre eigene Seele annehmen könnte.
Eine Cinnae eilte vorbei, ihr Kleid mit rosaroter und orangefarbener Gaze umwickelt, ihr Gesicht blass wie der Mond. Ein Hund bellte aus dem schattigen Eingang einer Gasse. Drei männliche Kurtadam gingen an ihr vorbei, mit klimpernden und klickenden Perlen im Pelz, und sagten etwas, das sie nicht verstand, und dann lachten sie gemeinsam. Sie achtete nicht auf sie. Das Glühen ihrer eigenen Fenster leuchtete gleich dort vorn. Wenn sie jetzt jemand angreifen würde, müsste sie nur rufen, und Hauptmann Wester und Yardem Hane würden kommen. Es war ein angenehmer Gedanke, und er reichte aus, um ihr ein sicheres Gefühl zu geben, ob es nun stimmte oder nicht.
Zum stetigen Knarzen von Hauptmann Westers auf- und abgehenden Schritten schleppte sie sich die Stufen empor. Sie öffnete die Tür und stand vor seinem finsteren Gesicht.
»Du bist ganz schön lange draußen gewesen«, sagte er.
Cithrin zuckte die Achseln.
»Wie viel hast du getrunken?«
Cithrin ging hinüber zum Bett und setzte sich neben den Tralgu. Yardem roch nach offenen Feldern und nassen Hunden. Sie unterdrückte den Drang, ihm den breiten Rücken zu kraulen. Hauptmann Wester schaute sie noch immer an, wartete auf eine Antwort.
»Ich erinnere mich nicht genau«, sagte sie. »Ich habe das meiste davon nicht selbst bezahlt.«
Wester hob eine Augenbraue.
»Es taut schon fast. Wir müssen eine Entscheidung treffen«, sagte sie, ihre Stimme präzise und fest.
»Das stimmt«, erwiderte der Hauptmann, der die Arme verschränkte. Das nachlassende Tageslicht, das durch die Fenster fiel, ließ die Linien seines finsteren Gesichts und das Grau an seinen Schläfen weich werden. Er sah jung aus. Cithrin erinnerte sich, dass Opal den Mann attraktiv gefunden hatte, und fragte sich, ob es ihr genauso ging. Sie hatte wochenlang mit ihm gelebt. Monate, wenn man die Zeit auf der Straße mitzählte. Sie fragte sich zum ersten Mal, ob sein Mund wie der von Sandr schmecken würde, dann zerrte sie ihre Gedanken wieder zurück in die Gegenwart, ziemlich abgestoßen von ihren eigenen Überlegungen.
»Ganz gleich, wie wir Carse zu erreichen versuchen«, sagte sie, »die Gefahr ist, dass uns jemand umbringen und das Geld nehmen wird.«
»Alte Neuigkeiten.« Hauptmann Wester winkte ab.
»Deshalb müssen wir das Geld selbst nehmen«, erklärte sie, und als sie es sagte, wurde ihr klar, was sie den ganzen Abend lang in Erwägung gezogen hatte. »Wir müssen es benutzen.«
»Das ist vermutlich das Klügste, was wir tun können«, sagte der Hauptmann. »Nehmen, so viel wir tragen können, und verschwinden.«
»Nein«, sagte sie. »Ich meine, alles davon nehmen.«
Der Tralgu neben ihr ließ ein klimperndes Ohr zucken. Hauptmann Wester leckte sich über die Lippen und blickte zu Boden.
»Wenn wir alles davon nehmen, sind wir in derselben Lage wie im Augenblick«, erklärte er. »Wir müssten das Geld immer noch verstecken, um es zu schützen. Nur dass wir dann noch mit deinen Freunden aus Carse zu rechnen hätten, die hinter unseren Köpfen her sind. Das ist keine Verbesserung. Wir können darüber reden, wenn du nüchtern bist«, sagte er.
»Nein, hört mir zu. Wir haben uns wie Schmuggler verhalten. Wir sind keine. Ihr habt immer gesagt, dass wir über so viel Geld keine Verschwiegenheit bewahren können. Opal hat das bewiesen. Also sollten wir keine Verschwiegenheit darüber bewahren.«
Wester und Yardem tauschten schweigend einen Blick, und der Hauptmann seufzte. Cithrin erhob sich und ging hinüber zu den nicht mehr versiegelten Büchern. Ihr Gang war vollkommen sicher. Ihre Hände zitterten nicht, als sie das in schwarzes Leder gebundene Buch hervorholte. Sie öffnete die ersten Seiten und reichte es dem Hauptmann.
»Gründungsurkunde«, sagte sie. »Wir fertigen eine
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