Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
Gewürz- und Tabakhandels an die Kehle. Vanai war, wie er gelesen hatte, aus Holz erbaut, weil Maccia die Steinbrüche kontrollierte, während Holz über den Fluss aus dem Norden herabgeflößt wurde. Aber vielleicht ging mehr vor sich, als ihm bewusst war.
»Diese Verstärkung wird Vanai nicht retten«, sagte Alan. »Besonders da sie, wenn sie eintrifft, feststellen wird, dass wir über die Stadt herrschen.«
Geder spürte, wie sich sein Gesicht weiter verfinsterte, und ein Gefühl übler Vorahnungen stieg in seinen Eingeweiden auf. Von Maccia nach Vanai waren es vielleicht fünf Tage auf dem Wasser, und sie waren mindestens eine Woche von der Grenze entfernt. Vanai zu erreichen, ehe die Verstärkung eintraf, würde bedeuten …
»Heute beginnen wir mit einem unerbittlichen Marsch«, sagte Alan. »Wir werden in den Sätteln schlafen. Wir werden essen, während wir weiterziehen. Und in vier Tagen werden wir Vanai überraschen und der Stadt zeigen, welche Macht der Gespaltene Thron besitzt! Für den König!«
»Für den König!«, sagte Geder im Chor mit den anderen und hob die Hände zum Salut, während er noch versuchte, nicht zu weinen.
Sie hatten es gewusst. Letzte Nacht hatten sie es gewusst. Schon konnte Geder spüren, wie die Schmerzen in seinem Rücken und den Oberschenkeln anschwollen. Das Pochen im Kopf verdoppelte sich noch einmal. Als die Reihen sich auflösten, blickte Jorey Kalliam ihn kurz an und wandte sich dann ab.
Das also war der Streich. In den Matsch der Latrine geworfen zu werden, war nur der Anfang gewesen. Danach bestand man darauf, dass der Blödmann eine Entschuldigung annahm. Setzte ihn in warmes Wasser. Füllte ihn mit Wein ab. Brachte ihn zum Tanzen. Die Erinnerung, wie er die schmutzigen Reime seines Vaters vorgetragen und den kleinen Tanz aufgeführt hatte, kam ihm wieder in den Sinn, als wäre sie ein Messer im Rücken. Und alles dafür, dass sie den Zwangsmarsch verkünden konnten, während der fette Trottel Palliako darum kämpfte, sich nicht während des Appells vollzukotzen. Sie hatten ihm die letzte Nacht geraubt, in der es ihm möglich gewesen wäre, sich auszuschlafen, und würden nun tagelang das Vergnügen haben, ihn leiden zu sehen.
Die Schwertkameradschaft. Die Bruderschaft des Feldzugs. Warme, bedeutungslose Worte. Es war nicht anders als zu Hause. Die Starken machten sich über die Schwachen lustig. Die Schönen bemitleideten die Unansehnlichen. Überall und immer entschieden die Mächtigen, wer begünstigt war und wen man lächerlich machen konnte. Geder wandte sich ab und stapfte zu seinem Zelt zurück. Sein Knappe hatte bereits die Sklaven gerufen, um es abzubauen. Er beachtete sie nicht und trat in seine letzten privaten Augenblicke vor der Schlacht ein, die noch tagelang entfernt war. Er griff nach seinem Buch.
Es war nicht dort, wo er es zurückgelassen hatte.
Ein Schauer, der nicht vom Herbst herrührte, lief ihm das Rückgrat hinab.
Er war betrunken gewesen, als er zurückgekehrt war. Er hatte es vielleicht woanders hingelegt. Er hatte vielleicht versucht, darin zu lesen, ehe er eingeschlafen war. Geder suchte in seinem Feldbett, dann darunter. Er ging seine Uniformen und die Kiste aus Holz und Leder durch, in der sich all seine anderen Besitztümer befanden. Das Buch war nicht da. Sein Atem beschleunigte sich unwillkürlich. Sein Gesicht fühlte sich heiß an, aber ob vor Scham oder vor Zorn konnte er nicht abschließend beurteilen. Er trat aus seinem Zelt, und die Sklaven standen ruckartig stramm. Das übrige Lager wurde bereits auf Wagen und Maultiere verladen. Es blieb keine Zeit. Geder nickte seinem Dartinae-Knappen zu, und die Sklaven machten sich daran, seine Sachen zusammenzupacken. Geder ging noch einmal durch das Lager, seine Schritte von Furcht verlangsamt. Aber er musste sein Buch zurückbekommen.
Das Zelt des Hauptmanns war bereits abgebaut, das Leder von den Rahmen genommen, die Rahmen zerlegt und verpackt. Der leere Fleck Boden, auf dem Geder letzte Nacht herumgetollt war, schien aus einer Kindergeschichte zu stammen – ein Märchenschloss, das in der Morgendämmerung verschwand. Sir Alan Klin war allerdings noch da; sein lederner Reitumhang hing ihm um die Schultern, sein Amtsschwert auf der Hüfte. Der Futtermeister, ein Halb-Yemmu und ein Berg von einem Mann, nahm gerade die Befehle des Hauptmanns entgegen. Geders Rang verlieh ihm theoretisch das Recht dazwischenzugehen, aber er tat es nicht. Er wartete.
»Palliako«, sagte Klin. Die
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