Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
alte Cam anfängt, nervös zu werden. Aber im Ernst, vertraue Magister Imaniel. Er ist schon länger dabei als jeder von uns, und er weiß, was er tut.«
Cithrin nickte, dann sah sie Besel nach, der zwei Stufen auf einmal nahm, um zu dem dunkelhaarigen Mädchen hinabzueilen. Er verbeugte sich vor ihr, und sie machte einen Knicks, aber für Cithrin sah alles gekünstelt aus. Formalitäten, die als Vorspiel dienten. Vermutlich dachte Besel nicht, dass Cithrin wusste, was ein Vorspiel war. Sie beobachtete säuerlich, wie er die Frau am Ellbogen nahm und sie zu den hellen Straßen und Brücken der Stadt führte. Cithrin zupfte an ihren Ärmeln und wünschte sich – nicht zum ersten Mal – die Medean-Bank hätte Farben gewählt, die ihr besser standen. Etwas Grünes zum Beispiel.
Wären ihre Eltern beide Erstgeborene oder Cinnae gewesen, hätte sie vielleicht eine Familie gehabt, die sie hätte aufnehmen können. Stattdessen waren Adelstitel und Besitztümer ihres Vaters in Birancour von der Königin eingezogen und jemand anderem verliehen worden. Der Klan ihrer Mutter in Princip C’Annaldé hatte es höflich abgelehnt, ein Halbblutkind aufzunehmen.
Wenn die Bank nicht gewesen wäre, hätte man sie auf die Straßen von Vanai entlassen. Aber ihr Vater hatte einen Teil seines Goldes bei Magister Imaniel hinterlegt, und als seine Erbin war Cithrin ein Mündel der Bank geworden, bis sie alt genug war, ihren geritzten Daumen auf eigene Verträge zu drücken. Zwei Sommer würde es noch dauern. Sie würde ihre neunzehnte Sonnenwende erleben, eine vermögende Frau werden und, so nahm sie zumindest an, die kleine Bleibe in der Nähe des Großen Platzes verlassen, in der der Ableger der Medean-Bank von Vanai seine Geschäfte regelte.
Das natürlich nur, wenn die angreifende Armee in der Stadt einen Stein auf dem anderen ließ.
Als sie über den Bauernmarkt ging, sah sie auf den Gesichtern um sich herum keine eindeutigen Anzeichen der Furcht. Also hatte Besel vielleicht recht. Bei Gott, was hatte dieser Mann für eine Selbstsicherheit. Aber die hatte er ja immer.
Sie ließ sich zu der Überlegung verleiten, ob Besel sie anders wahrnehmen würde, wenn sie nicht mehr das kleine Mädchen der Bank war. Sie hielt an einem Stand an, wo eine Erstgeborene Parfüm, Öle und bunte Haartücher verkaufte. Ein Spiegel hing an einem einfachen Holzpfahl und lud die Kunden dazu ein, sich zu bewundern. Cithrin betrachtete sich einen Augenblick lang und hob das Kinn auf eine Art und Weise, wie es vielleicht Frauen mit richtigen Familien taten.
»Oh, du armes Ding«, sagte die Frau. »Du warst krank, oder? Brauchst du etwas für die Lippen?«
Cithrin schüttelte den Kopf und trat zurück.
Die Frau packte sie am Ärmel. »Lauf nicht weg. Ich habe keine Angst. Die Hälfte meiner Kunden kommt her, weil sie irgendetwas hatten. Wir können diese Blässe einfach von dir abwaschen, Liebes.«
»Ich hatte nichts«, sagte Cithrin, als sie ihre Stimme wiederfand.
»Nichts?«, fragte die Frau, die sie auf einen Hocker in einer Ecke des Standes zuschob. Der Geruch nach Rosen und aufgewühlter Erde machte die Luft beinahe zu schwer zum Atmen.
»Ich bin nicht krank«, sagte sie. »Meine Mutter ist eine Cinnae. Es … es ist immer so.«
Die Frau warf ihr einen mitleidigen Blick zu. Es stimmte. Cithrin hatte weder die zarte Schönheit vom Volk ihrer Mutter geerbt, noch besaß sie den festen, warmen, erdigen Reiz eines Erstgeborenen-Mädchens. Sie war ein Mittelding. »Das weiße Maultier« hatten die anderen Kinder sie genannt. Weder das eine noch das andere.
»Nun, dann doch umso mehr«, sagte die Frau tröstend. »Setz dich einfach hin, und wir sehen zu, was wir machen können.«
Am Ende kaufte Cithrin ein Töpfchen mit rotem Lippenpuder, nur damit sie den Stand verlassen konnte.
»Ihr hättet ihm zumindest eine Kleinigkeit geben können«, sagte Cam. »Er ist der Fürst. Es ist ja nicht so, als wüsstet Ihr nicht, wo Ihr ihn suchen müsst.«
Magister Imaniel blickte von seinem Teller auf, sein Gesichtsausdruck freundlich und undurchsichtig. Das Kerzenlicht spiegelte sich in seinen Augen. Er war ein kleiner Mann mit ledriger Haut und dünnem Haar, der harmlos wie ein Kätzchen wirken konnte, wenn er wollte, oder er wurde zu einem Dämon der Kälte und des Zorns. In all den Jahren hatte Cithrin nie sagen können, was davon die Maske war. Jetzt war seine Stimme so sanft wie sein Blick.
»Cithrin?«, fragte er. »Weshalb will ich dem Fürsten kein
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