Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
wendet Euer Pferd und reitet von dem Mädchen weg, bis es nicht mal mehr eine Erinnerung ist. Solche Leute bedeuten nur Ärger.«
Marcus wurde zornig. »Welche Leute meint Ihr?«
»Bankiers«, sagte der Karawanenmeister und spuckte aus.
Porte Oliva schmiegte sich auf einen Landausläufer, der sich in eine breite, flache Bucht hinausschob. Selbst bei Ebbe wurde es an drei Seiten vom Meer geschützt. Riffe und Sandbänke machten eine Anfahrt vom Meer so gefährlich, dass einheimische Bootsfahrer sich ihren Lebensunterhalt damit verdienen konnten, Schiffe aus dem tiefen Ozean sicher in den Hafen und dann wieder hinauszugeleiten. In den tausend Jahren seit ihrer Gründung war die Stadt nie mit Gewalt eingenommen worden, obwohl sie zweimal zum Überlaufen verführt worden war.
Als sie näher an die Stadt kamen, füllte sich die Drachenstraße. Wo in Vanai viele Timzinae in schwarzem Chitin gewesen waren, zeigten sich hier die blassen, ätherischen Gesichter von Cinnae und die kurzen, mit Perlen verzierten Pelze von Kurtadam in größerer Zahl als sogar Erstgeborene. Der Andrang von Karren und Körpern nahm zu, und Marcus sah erste Schwertkämpfer mit den Kupfertorques und im Grün und Gold von Birancour. Königinnengarde. Die Wächter der Stadt, auch wenn sich die Königin selbst eher in den größeren Städten Sara-su-mar und Porte Silena im Norden aufhielt. Marcus sah zu, wie der Karawanenmeister einen der älteren Königinnengardisten ansprach und sich dabei vorbeugte, als wollte er das Murmeln der Menge übertönen. Ein paar Münzen wechselten den Besitzer, und ohne irgendeine offensichtliche Veränderung kamen die Wagen bald schneller voran als vorher, überholten die Fußgänger und die Schubkarren. Marcus erkannte, dass sie das eigentliche Porte Oliva erreicht hatten, als die Bettler und Bettelmönche erschienen.
Bitte, mein Lord, ich habe ein Kind.
Mein Mann ist ein Seemann. Sein Schiff ist seit drei Monaten überfällig, und ich habe kein Geld mehr für Essen.
Gott trägt uns auf, großzügig zu sein.
Marcus ritt an den Wagen auf und ab, ohne die Worte und Gesten zu beachten, und hielt nach den Dieben und Beutelschneidern Ausschau, die in Mengen wie dieser immer auftauchten. Die anderen Wachen folgten seinem Beispiel und wussten vermutlich mehr über Taschendiebstahl als er. Es war seltsam, wie gut sich die Schauspieler für jeden Aspekt des Karawanenwächtertums eigneten, abgesehen von der tatsächlichen Wachpflicht. Er kam am letzten Wagen an und kehrte um, um sich wieder nach vorn aufzumachen. Drei Wagen weiter beugte sich Meister Kit nach unten und drückte eine Münze in die Hand eines alten Mannes.
»Ermutigt sie nicht«, rief Marcus. »Sie sind alle Lügner.«
»Nein, nicht alle, Hauptmann«, rief Kit mit einem Grinsen zurück. »Nur die meisten.«
Er kam am Wollkarren vorbei, wo die kleine Schmugglerin ihr Gespann lenkte, nach wie vor in ihrer groben Fuhrmannskleidung. Neben den reinblütigen Cinnae auf der Straße war es leichter zu erkennen, dass sie mehr war als nur ein zierliches Erstgeborenen-Mädchen. Ihr Haar war nicht ganz so fein wie das der anderen, ihre Züge waren gröber, ihre Haut hatte mehr Farbe, aber die Ähnlichkeit war da. Sie bemerkte, dass er sie ansah, und versuchte sich an einem Lächeln. Er ignorierte sie mit der gleichen einstudierten Absicht wie die Bettler, und aus ähnlichen Gründen. Beim Weiterreiten machte sich ein Gefühl von Vorahnung und Furcht in seinen Eingeweiden breit. Das Gespräch würde kommen, und zwar heute, und das Klügste – das Richtige, wodurch seine Alpträume wieder verblassen würden – wäre es, dem Mädchen eine Absage zu erteilen. Beim Wagen an der Spitze erwiderte Yardem seinen Blick ungerührt.
Einst, vor Jahrhunderten, hatte eine große, steinerne Festungsmauer die Grenze der Stadt gebildet. Nun lagen die aufragenden weißen Steinwälle mitten in einem geschäftigen Marktviertel. Fischverkäufer riefen ihren Fang auf der Nordseite des gerundeten Ganges aus, der in die innere Stadt führte, und nachdem sie hindurchgezogen waren, riefen identische Männer und Frauen die gleichen Fische aus. Die Architektur des Krieges lag mitten in der lebenden Gemeinschaft wie eine große, jagende Katze, die nach der erfolgreichen Jagd benommen war. Dahinter wurde die Drachenstraße breiter und endete an einem riesigen, offenen Platz.
Hier drängte sich die Menge genauso dicht wie auf der Straße. Ein großer Marmortempel, so hoch wie fünf Männer
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