Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
übereinander, ragte am Ostende auf, der Palast des Statthalters aus roten Ziegeln und Buntglas im Westen. Die Stimme Gottes und der Arm des Gesetzes, die Zwillingsmächte des Throns. Und dazwischen, über den Platz verstreut, erhoben sich hölzerne Plattformen, auf denen Gefangene ihre Strafen abbüßten. Ein Kurtadam mit roten Augen und abgehackten Händen hielt zwischen seinen Stümpfen ein Schild, das ihn als Dieb zu erkennen gab. Eine Erstgeborene, die mit Fäkalien und Schmutz beschmiert war, saß unter dem aus Holz geschnitzten Symbol für eine Kupplerin. Drei Cinnae hingen tot von einem Galgen, das weiche Fleisch um ihre Augen von Fliegen verdunkelt; je ein Mörder, Vergewaltiger und Kinderschänder. Gemeinsam dienten die Podeste als kurze, wirksame Einführung in das örtliche Gesetz.
Der Karawanenmeister ließ sie fast eine Stunde stehen, während der er im Palast des Statthalters verschwand, und kehrte mit kleinen Steinfigürchen an Lederriemen zurück, die man an den Karren anbrachte, um nachzuweisen, dass die Straßensteuern bezahlt waren. Mit einem Ruf führte er sie in eine Seitenstraße aus hartem, hellem Ziegelstein und zum Lagerplatz.
Das Ende der Reise. Marcus machte sich auf den Weg zum vordersten Wagen. Der Karawanenmeister hatte einen Stoffbeutel für ihn vorbereitet. Er klimperte, als er ihn überreichte.
»Ihr könnt es zählen«, sagte der Timzinae.
»Schon gut«, erwiderte Marcus.
Der Karawanenmeister hob die Brauen, dann zuckte er mit den Schultern. »Wie Ihr meint. Aber kommt später nicht und behauptet, es war zu wenig.«
»Werde ich nicht.«
»Dann ist es gut.«
Marcus nickte und wandte sich ab. Er nahm seinen Anteil und den von Yardem heraus, dann zählte er trotz seiner Worte den Rest. Es war alles da.
Die Schauspieler standen um ihren eigenen Wagen herum, trugen nach wie vor die Rüstungen und Schwerter. Die Straße hatte sie verändert und doch wieder nicht. Sie waren nun härter, und jeder von ihnen konnte mit einem Schwert umgehen wie ein Soldat. Auf der anderen Seite lachten und scherzten sie nun nicht weniger als in der Taverne in Vanai. Sandr und Smit machten gerade einen Wettkampf, wer von ihnen am längsten im Handstand bleiben konnte. Cary, Opal und Mikel neckten sich und stichelten, während sie sich um ihre Maultiere kümmerten. Meister Kit saß auf dem hohen Kutschbock des Wagens und überblickte alles wie ein wohlwollender Heiliger aus den alten Geschichten. Marcus ging zu ihm.
»Es sieht so aus, als wären wir mit der Täuschung durchgekommen«, sagte Meister Kit. »Ich hätte es mir nicht ganz so ereignisreich vorgestellt.«
»Macht eine schöne Komödie daraus«, sagte Marcus.
»Ich glaube, so ist die Welt häufig.«
»Wie?«
»Komisch, aber nur mit dem richtigen Abstand.«
»Das stimmt wahrscheinlich«, erwiderte Marcus, während er Meister Kit das Geld überreichte. »Was werdet Ihr nun machen?«
»Ich nehme an, dass Porte Oliva genauso gut für Auftritte geeignet ist wie jeder andere Ort, und vermute, dass wir unser Glück in unserem ursprünglichen Geschäft versuchen werden. Nach ein wenig Ruhe vielleicht. Hier gibt es eine lange Tradition des Puppenspiels, und ich hoffe, wir können vielleicht einen oder zwei neue Schauspieler mit diesen Fähigkeiten rekrutieren.«
»Es war gut, mit Euch zu arbeiten«, sagte Marcus. »Und es ist besser gelaufen als erwartet, wenn man es genau betrachtet. Ich nehme an, ich werde Euch in der Stadt noch begegnen. Wir werden hierbleiben, bis es taut.«
»Danke, dass Ihr Sandr nicht entmannt habt. Ich hoffe immer noch, eines Tages einen anständigen Hauptdarsteller aus ihm zu machen.«
»Viel Glück dabei«, sagte Marcus.
»Passt auf Euch auf, Hauptmann Wester«, erwiderte Meister Kit. »Ich halte Euch für einen faszinierenden Mann.«
Und damit war auch das vorüber. Zu seiner Linken ging der Karawanenmeister der Reihe nach zu jedem Wagen, nahm Unterschriften und Inventarlisten entgegen. Yardem erschien an Marcus’ Seite.
»Wir werden Männer brauchen«, sagte der Tralgu.
»Und einen Kundigen. Aber hier ist kein Krieg im Anmarsch. Wir werden welche finden.«
Der Tralgu zuckte mit einem klimpernden Ohr. »Werdet Ihr uns von dem Mädchen anheuern lassen, Herr?«
Marcus holte tief Luft. Die Stadt roch nach Pferdeäpfeln, Fisch und Salzwasser. Dunst ließ den Himmel eher weiß als blau wirken. Er atmete langsam aus.
»Nein«, sagte er.
Der Karawanenmeister kam an ihrem Karren an. Cithrin stand vor ihm wie eine
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