Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
alter Freund«, sagte der König. »Ich muss mich vor dem Fest ausruhen. Ich muss nachdenken.«
Dawson erhob sich, verbeugte sich schweigend und machte sich auf den Weg in seine eigenen Gemächer. Lord Ternigans Anwesen wurde immer größer. Es war im Verlauf von Jahrhunderten von unzähligen Planern errichtet worden, von denen offenbar jeder eine eigene abweichende Vision verfolgt hatte. Das Ergebnis war ein Labyrinth. Jeder Hof und Platz öffnete sich auf irgendeine unerwartete Weise, Gänge knickten ab und bogen sich dann, um Hindernissen auszuweichen, die schon längst beseitigt worden waren. Es gab keine bessere Einladung für ein verstohlenes Messer aus den Schatten.
Er ließ sich vom Diener des Königs in seinen Mantel hüllen, sich den dicken schwarzen Wollumhang um die Schultern legen und verbeugte sich, ehe er in den weißen Wind hinaustrat. Vincen Coe ging hinter ihm. Dawson sprach den Mann nicht an, und der Jäger gab keinen Bericht ab. Allein vom Quietschen des Leders und ihren vom Schnee gedämpften Schritten begleitet, überquerten sie den Hof, gingen über eine Reihe von überwachsenen Gehwegen und eine breite, flache Brücke, auf der der Wind drohte, sie wie Spatzen in einem Sturm wegzufegen. Es gab wärmere Wege, aber dort gab es auch mehr Leute, daher waren sie gefährlicher. Wenn Issandrian und Maas Dawson angreifen wollten, würden sie sich anstrengen müssen.
Die Gastfreundschaft, die Ternigan dem Haus Kalliam geboten hatte, schloss ein eigenes Gebäude ein, das einst der bevorzugten Konkubine eines Königs gehört hatte. Das Mauerwerk wies eine beinahe vulgäre Sinnlichkeit auf, die Gärten davor – zweifellos üppig im Frühling – waren nun kaum mehr als eine Ansammlung von Zweigen und totem Buschwerk. Aber es war leicht zu verteidigen, und dafür schätzte Dawson es. Er schüttelte seinen Umhang und seinen Leibwächter an der Tür ab und betrat die warmen, dunklen Innenräume, aus denen ihm der Geruch nach Minztee und das Weinen einer Frau entgegenkamen.
Einen schrecklichen Augenblick lang dachte er, die Stimme gehöre Clara, aber er hatte jahrelange Übung darin, ihre Geräusche von allen anderen zu unterscheiden, und dieses Schluchzen gehörte nicht zu ihr. Langsam folgte er dem Weinen und, sobald er näher gekommen war, Claras beruhigender Stimme bis zu einem Aufenthaltsraum, in dem die lang verblichene Konkubine einst ihre Ruhe genossen hatte. Nun saß Clara dort auf einem niedrigen Diwan, ihre Kusine Phelia – die Baronin von Ebbinwinkel und Gattin des verhassten Feldin Maas – saß vor ihr auf dem Boden, und ihr Kopf lag in Claras Schoß. Dawson fing den Blick seiner Frau auf, und Clara schüttelte den Kopf, ohne in ihrer sanften Litanei des Trostes innezuhalten. Dawson trat zurück. Er ging zu dem privaten Arbeitszimmer, um seine Pfeife zu rauchen, Whisky zu trinken und an einem Gedicht zu arbeiten, das er begonnen hatte, bis Clara nach einer Stunde kam und sich unzeremoniell auf seinen Schoß fallen ließ.
»Arme Phelia«, sagte sie.
»Ehesorgen?«, fragte Dawson und strich seiner Frau übers Haar. Sie zog ihm die Pfeife aus dem Mund und nahm selbst einen tiefen Zug.
»Es scheint, dass mein Gemahl ihren Gemahl schrecklich unglücklich macht«, sagte sie.
»Ihr Gemahl versucht deinen zu töten.«
»Ich weiß, aber es schien mir etwas unhöflich, mich darüber auszubreiten, während das arme Ding vor mir zusammenbricht. Außerdem gewinnst du doch, oder? Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie um Gnade bäte, wenn ein warmer Windhauch über Ebbinwinkel streichen würde.«
»Um Gnade hat sie gebeten?«
»Nicht mit so vielen Worten«, sagte Clara, wobei sie seinen Schoß, aber nicht seine Pfeife aufgab. »Aber das würde sie auch nicht tun, meinst du nicht? Es wäre sehr plump, und ich bin mir ziemlich sicher, dass Feldin nicht wusste, dass sie kommt, also beziehe sie jetzt nicht in all deine Berechnungen und Intrigen mit ein. Manchmal ist eine verängstigte Frau eben nur eine verängstigte Frau.«
»Und dennoch habe ich nicht vor, ihr bessere Tage zu bescheren«, sagte Dawson. Clara zuckte mit den Schultern und sah zur Seite. Als er wieder sprach, war sein Tonfall weniger spielerisch. »Es tut mir leid. Für dich und für sie. Wenn das hilft.«
Einen langen Augenblick war Clara still und zog an seiner Pfeife. Im trüben Licht sah sie jünger aus, als sie war.
»Unsere Welten bewegen sich auseinander, Gemahl«, sagte Clara. »Die deine und die meine. Deine kleinen Kriege,
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