Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
selbst weitere Leute an. Cithrin stand auf einem Flecken mit abgestorbenem Gras und wunderte sich. Opal trat vor und hatte ein Kleid an, das sie zehn Jahre jünger aussehen ließ. Dann kam Smit, der die Kappe eines Knechts trug und mit einem breiten Akzent aus Nordstade sprach, dann Horniss in vergoldeter Rüstung und hinter ihm Sandr, der auf die Bühne trat, als würde ihm die Welt und alles darin gehören. Cithrin lachte vor Freude, und andere Hände fielen in ihr Klatschen ein. Mikel und Cary, die sich beide in der Menge befanden, nickten ihr zu. Als sie Carys Blick auffing, machte Cithrin die Geste nach, ein Schwert zu ziehen, und deutete dann auf die Bühne. Ich dachte, ihr wärt Soldaten, und ihr seid das? Cary neigte scheu den Kopf und machte einen kleinen Knicks, ehe sie wieder an ihre Aufgabe ging, Aleren Menschentod zuzujubeln und Orcus den Dämonenkönig anzuzischen.
Der winterliche Platz war zu kalt. Am Ende des ersten Aktes hatte Cithrin Ohrenschmerzen, und ihre Nase lief. Sie schlang die Arme um den Körper, kauerte sich in ihre Kleider, aber nichts hätte sie vertreiben können. Die Geschichte entfaltete sich wie eine Frühlingsblume, die aufblühte, und die Karawanenwachen, die sie monatelang gekannt hatte, wurden vor ihr zu Schauspielern, und die Schauspieler wurden zu den Rollen, die sie spielten. Bis am Ende Aleren Menschentod Orcus sein vergiftetes Schwert in den Bauch stieß, waren Sandr und Meister Kit halb vergessene Echos von Männern, die sie einmal gekannt hatte. Der Applaus aus der Menge war dünn, kam aber von Herzen, und Cithrin grub ein paar eigene Münzen aus, um sie dem Regen hinzuzufügen, der auf den Brettern tanzte.
Während die Schauspieler die Bühne abbauten, kamen Opal, Mikel und Smit heraus, um sie anzugrinsen und Geschichten mit ihr auszutauschen. Ja, sie waren von Anfang an Schauspieler gewesen. Sie hatten nur gespielt, Wachen zu sein. Cary trug die Eröffnung der Komödie vor, die sie schrieben, um das Abenteuer in Erinnerung zu behalten. Cithrin erzählte ihnen – leise, um nicht belauscht zu werden – von ihren Zimmern mit Marcus und Yardem, und Opal machte derbe Witze, bis Smit langsam rot wurde und sie sich alle vor Lachen selbst vergaßen.
Sandr stand neben dem Karren, runzelte wütend die Stirn und blickte sie alle betont nicht an. Cithrin entschuldigte sich von den anderen und ging zu ihm, denn sie dachte, er wäre vielleicht verletzt, weil sie mit den anderen sprach und nicht mit ihm.
»Stell dir das vor«, sagte sie. »Du hast es mir nie erzählt.«
»Vermutlich nicht«, erwiderte Sandr. Er sah ihr nicht in die Augen.
»Ich habe es nicht gewusst«, wiederholte sie. »Du warst wunderbar.«
»Danke.«
Meister Kit rief von der anderen Seite des Wagens, und Sandr zog an einem dicken Seil, um die Bühne hochzuhieven, so dass sie am Rahmen des Wagens lehnte. Sandr band das Seil fest, sein Blick zuckte zu Cithrin und wieder weg, und er nickte.
»Ich bin mit der Arbeit noch nicht fertig. Ich muss gehen.«
Cithrin trat zurück und verspürte einen Stich. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich wollte dir nicht …«
»Ist gut«, sagte Sandr. »Ich muss nur …«
Mit einem Kopfschütteln wandte er sich ab und duckte sich unter einem Holm durch, den Smit abbaute, um ihn zu verpacken. Cithrin ging zurück auf den Platz. Der milchfarbene Himmel schien weniger wohlwollend als zuvor. Sie wusste nicht, ob sie sich den Schauspielern noch einmal nähern oder lieber fortgehen sollte, ob sie willkommen war oder ein Eindringling. Plötzlich fielen ihr ihre zerschlissenen Kleider und ihr ungepflegtes Haar auf.
»Es liegt nicht an dir«, sagte eine Frauenstimme. Cary war hinter sie getreten. Cary, die verlangt hatte, dass Yardem ihr verriet, welche Waffe für eine Frau von Vorteil war. Cary, die sich einen Bogen über die Schulter gehängt und wie eine Veteranin aus einem Dutzend Kriege gewirkt hatte. Cary, die Cithrin eigentlich gar nicht kannte.
»Was liegt nicht an mir?«, fragte sie.
»Sandr«, sagte Cary und nickte zu einem Ort weiter unten am Platz. »Er ist der neue Hauptdarsteller. Hauptdarsteller sind in den ersten paar Jahren immer Schweine.«
Dort stand Sandr und lächelte. Drei Mädchen in groben Kleidern standen um ihn herum. Eine berührte ihn am Arm, ihre Finger tänzelten über ihn wie ein Schmetterling, der nicht recht wusste, ob es sicher war, dort zu landen. Cithrin sah, wie er das Mädchen anlächelte, sah, wie er ihr auf die Brüste blickte.
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher