Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
Marcus ließ sein eigenes Messer fallen und griff fest nach dem Ellbogen des anderen Mannes, aber der Angreifer kam ganz nahe und bog Marcus nach hinten. Sein heißer Atem stank nach Bier und Fisch. Die Glut glitzerte auf schuppiger Haut und bösartigen spitzen Zähnen. Ein Jasuru also. Marcus spürte, wie die Spitze der Klinge des Jasuru ihn in den Bauch stach. Noch ein Stück, und das Messer würde ihn wie eine Forelle aufschlitzen.
»Yardem?«, ächzte Marcus.
»Herr?«, sagte Yardem, und dann: »Oh. Tut mir leid.«
Ein Dolch wuchs dem Jasuru aus dem linken Auge, und Blut schoss aus der Wunde, schwarz in der Düsternis. Der Angreifer drängte noch weiter nach vorn, während er starb, aber Marcus spürte, wie den Mann die Kraft verließ, und trat zurück, um den Körper zusammenbrechen zu lassen.
Drei Männer lagen an dem zerfetzten Fenster, tot oder am Verbluten. Ein weiterer lag reglos auf dem Boden – einer seiner Arme war auf den Feuerrost gefallen, wo er gerade zu brennen anfing –, und der letzte war an der Wand zu Yardems Füßen zusammengesunken, den Kopf in einem unmöglichen Winkel verdreht. Stark und erfahren. Das, dachte Marcus, war sehr, sehr schlecht.
»Was ist los?«, fragte Cithrin benebelt. »Ist etwas passiert?«
»Draußen«, sagte Yardem, und Marcus hörte es ebenfalls. Schritte, die sich zurückzogen.
»Bleibt hier«, sagte Marcus und stürzte sich aus dem zerstörten Fenster.
Die nachtschwarzen Straßen machten ihn blind, aber er stürmte vorwärts, achtete auf jeden Schritt und hoffte, dass sein Fuß nicht auf eine Eispfütze oder eine unerwartete Stufe traf. Vor ihm klatschten Schritte auf die Pflastersteine. Ein großes Tier zischte, als Marcus vorbeiraste. Seine Lunge brannte, und das Blut auf seiner Schulter und seiner Seite ließ ihn frösteln. Die fliehenden Schritte schlitterten, verloren das Gleichgewicht und warfen sich nach links herum. Er kam näher heran.
Die Straße öffnete sich auf einen breiteren Platz, und dort im Sternenlicht konnte Marcus einen Blick auf die fliehende Gestalt werfen. Sie war klein und in einen dunklen Umhang mit Kapuze gehüllt, die Kopf und Haar bedeckte. Die Verkleidung war sinnlos. Sobald er gesehen hatte, wie die fliehende Frau zwei Schritte gelaufen war, erkannte er sie genauso, als hätte er ihr Gesicht gesehen.
»Opal!«, rief er. »Du solltest anhalten.«
Die Schauspielerin zögerte, um dann weiterzurennen und so zu tun, als wäre sie nicht erkannt worden. Marcus fluchte, biss die Zähne zusammen und lief weiter. Die dunkle Stadt beachtete sie nicht. Opal rannte durch Straßen und Gassen, versuchte verzweifelt, ihn zu verwirren oder zu erschöpfen. Marcus ignorierte seine Wunden und blieb dicht hinter ihr, bis Opal an einem breiten Brunnen anhielt, sich hinkniete und den Kopf in die Hände legte. Ihre Brust arbeitete wie ein Blasebalg. Marcus trottete neben sie und setzte sich hin. Sie keuchten beide wie alte Männer. Auf ihrem bleichen Haar glitzerte Sternenlicht.
»Nicht …«, sagte Opal zwischen zwei Japsern. »Nicht so, wie es aussieht. Ihr müsst mir glauben.«
»Nein«, keuchte Marcus. »Tue ich nicht.«
»Ich habe es nicht gewusst«, sagte Meister Kit. »Ich hätte es wissen sollen, aber dem war nicht so.«
Marcus’ ehemaliger Kundiger trug immer noch ein gestreiftes Schlafgewand aus Wolle und eine eng anliegende Schlafmütze. Das und die Tatsache, dass er im hinteren Teil des Wagens der Truppe tief geschlafen hatte, als Marcus dort eingetroffen war, sprachen für seine Unschuld. Meister Kitap rol Keshmet gab nicht das Bild eines Mannes ab, der darauf vorbereitet war, mit seinem gestohlenen Geld zu fliehen.
Die Zimmer, in denen sie nun saßen, waren von einem Braumeister gemietet. Den größten Teil des Jahres wurden hier der Hafer und das Malz gelagert, die zu diesem Geschäft gehörten, und die Luft roch noch stark danach. Der Tisch bestand aus drei Brettern, die über zwei Stapel alter Ziegel gelegt waren, und die Hocker, auf denen Marcus, Kit und die in Ungnade gefallene Opal saßen, waren sogar einer Milchmagd unwürdig. Im flackernden Licht von Meister Kits einzelner Kerze waren Opals Augen in schattigen Teichen verschwunden. Ihr Argument, dass alles ein Missverständnis war, dass sie dort gewesen war, um Cithrin zu schützen, verflüchtigte sich wie Morgentau, sobald Meister Kit den Raum betreten hatte, und alles, was blieb, war ihr trotziges Schweigen.
»Ihr wollt sagen, dass sie von selbst darauf gekommen ist und
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