Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
der Erkenntnis gezwungen, dass all das eine Illusion war, weil sie daran gewöhnt war, und dass sie am besten einfach großzügig Rosenwasser verwendete und abwartete, bis das Gefühl wieder verging. Aber beim Weggehen hatte sie das Schneidergeschäft gesehen und es sich gemerkt.
Zum Teil fiel der Laden auf, weil der Besitzer ein Dartinae war. Camnipol war eine Stadt der Erstgeborenen, und auch wenn es hier und da ein paar Leute aus verschiedenen Rassen gab, war es so merkwürdig, einen Dartinae mit einem eigenen Geschäft zu sehen, dass Cithrin ihm schon stark gewogen war, noch ehe sie das Geschäft betreten hatte.
»Ja, mein Fräulein«, sagte er, als sie von der Straße hereinkam. »Kann ich Euch helfen?«
»Das hoffe ich«, erwiderte sie. »Ich bin aus Porte Oliva gekommen, und meine ganze Garderobe ist zu Asche zerfallen. Ich werde etliche Stücke benötigen, und ich habe es damit ein wenig eilig.«
Das war, wie sie wusste, das unverhohlene Zeichen für den Händler, dass sie bereit war, ein wenig mehr zu bezahlen, wenn er bereit war, ihr ein wenig mehr von seiner Aufmerksamkeit zu schenken. Es funktionierte, so wie sie es schon früher erlebt hatte. Er nahm mit Schnur und Wachs ihre Maße, machte sich kurze Notizen in einem System, das ihr noch nie untergekommen war, und dann holte er einige Arbeitsproben hervor. Sie gab zwei Kleider in Auftrag, die förmlich genug waren, um sich vor einem König zu zeigen, oder in diesem Fall vor einem Lordregenten. Der Gedanke, sich förmlich zu kleiden, um Geder die Aufwartung zu machen, war merkwürdig, aber so war nun einmal die Welt. Sie lebten nicht mehr wie Bettler und Flüchtlinge, also konnte sie sich auch nicht wie ein solcher kleiden.
Sie brauchte auch etwas Warmes und Haltbares für ihre Rückreise nach Carse, aber dafür würde sie die Lumpenhändler aufsuchen und Cary fragen, woher die Truppe ihre Kostüme bekam. Vielleicht konnte sie sogar bei Horniss etwas ganz Einfaches in Auftrag geben. Er hatte als Kostümbildner ein recht gutes Auge, und trotz der Reichtümer, die Asters Gewänder enthalten hatten, ging es einer Schauspieltruppe nie so gut, dass sie einen zahlenden Kunden ablehnen würde.
»Und vielleicht einen Umhang, mein Fräulein?«, fragte der Dartinae, der etwas hochhielt, das wie eine riesige Masse aus zusammengenähtem Leder aussah. »Das ist groß in Mode.«
Aus einer Laune heraus probierte sie ihn an. Es fühlte sich an, als würde sie in einem nachtschwarzen Meer schwimmen, und sah aus, als würde sie von Schatten verschlungen. Sie schüttelte den Kopf und gab ihn zurück.
»Nur die anderen Sachen, danke.«
»Seid Ihr sicher?« Die Augen des Schneiders leuchteten etwas heller. »Es ist groß in Mode.«
Als sie sich zurück zu Lord Daskellins Anwesen durchgeschlagen hatte, erwartete sie Paerin Clark mit einem seltsamen Gesichtsausdruck. Der Baron war so freundlich gewesen, den Mitgliedern der Medean-Bank Unterkunft zu gewähren, nicht zuletzt wegen der außergewöhnlichen Umstände und seiner Rolle dabei, sie in die Stadt zu holen. Die Einladung war dennoch alles andere als selbstverständlich. Daskellin war immerhin ein Baron von Antea. In einem niederen Esszimmer in Carse mochten sie vielleicht miteinander das Brot brechen, aber dies war Camnipol, seine Heimat. Hier gab es Standards und Grenzen. Zum Beispiel ging sie durch den Seiteneingang hinein.
Sie stieg die breiten Steinstufen empor, die Augenbrauen fragend erhoben. Paerins Lächeln war ruhig, entwaffnend und so einstudiert, dass sie sicher war, dass er sich dessen nicht einmal bewusst war.
»Ich komme gerade vom Treffen mit dem Lordregenten«, sagte er, während er ihr die Tür öffnete.
»Ja?«
»Er ist in einer äußerst guten Verfassung«, fuhr Paerin fort. »Er hat vorgeschlagen, die Medean-Bank solle darüber nachdenken, eine Zweigstelle in Camnipol zu eröffnen.«
»Wirklich«, sagte sie und trat in den Gang. Die Gemächer, die man ihnen zur Verfügung gestellt hatte, waren die größten Dienerschaftsunterkünfte, und um dorthin zu gelangen, musste man durch die Küche gehen. »Das scheint nicht sehr naheliegend, oder?«
»Ich hätte auch nicht damit gerechnet. Aber ich hätte auch nicht gedacht, dass ich mich damit überhaupt auseinandersetzen muss. Und nicht nur das, er schien mich auch sehr ungern gehen lassen zu wollen. Wir haben fast doppelt so lange gesprochen, wie für unsere Audienz eigentlich vorgesehen war. Ich hatte beinahe das Gefühl, dass er irgendeinen
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