Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
sehr spät war. Ein Dutzend Männer und Frauen saßen an den Tischen, tranken Apfelwein und Bier aus braunen Krügen, aßen Käse und Zwieback. Die Freunde des Gelächters hatte es nach draußen zur Vorführung gezogen. Diejenigen, die in der Hitze zurückblieben, waren ein ernster Haufen, der bestens zu Cithrins Laune passte.
Das Bier war schwer und dickflüssig, und der Alkohol darin prickelte am weichen Gewebe ihres Gaumens. Es war ein Bier, mit dem man sich betrinken konnte, und so verführerisch es auch war, sie war nicht bereit, sich darin zu verlieren. Noch nicht. Etwas im hintersten Winkel ihrer Gedanken wirbelte herum, ohne Ruhe zu finden. Ein Gedanke oder eine Einsicht, die sich ihren Weg ins Dasein erkämpfte. Sie blickte auf die raue Tischplatte hinab und lauschte.
»Er war von Anfang an auf der Seite von Asterilreich«, sagte ein Mann hinter ihr. »Glaubt ihr, er hätte es wirklich so schnell nach Kaltfel geschafft, ohne dass er die Erlaubnis des alten Lechan gehabt hätte, möge Gott auf sein totes Herz pissen.«
»Aber der Lordregent hat es gewusst, oder?«, wandte die Frau neben ihm ein. »Hat die Verräter alle ausgemerzt. Lechan hat er getötet, und die übrigen wird er zermalmen, wenn er so weit ist. Ihr werdet schon sehen.«
»Habt ihr gehört, wo er war, während die Schlacht stattfand?«
»Oben in der Königshöhe, von wo aus er die ganze verdammte Sache auf die Beine gestellt hat, wie ein Kind, das mit Stöcken spielt.«
»Nein«, sagte die Frau. »Sie wollen, dass du das denkst, aber er war die ganze Zeit über draußen auf den Straßen. Verkleidet als Bettler, und er ist geradewegs hinter die Linien des Feindes gegangen, um zu sehen, was sie planten. Niemand hat sich zweimal nach ihm umgedreht.«
»Das stimmt«, bestätigte ein anderer Mann. Er war älter, mit weißem Schnurrbart und blutunterlaufener Haut. »Ich habe ihn gesehen. Ihn erkannt. Ich meine, ich habe nicht erkannt, dass er es war. Der Alte Jem hat er sich genannt. Ich wusste, dass am Alten Jem etwas merkwürdig war, aber ich bin nie dahintergekommen.«
»Und er unterhält sich mit den Toten«, sagte die erste Frau. »Mein Vetter wacht an den Gräbern, und all seine Männer wissen Bescheid, dass der Lordregent die ganze Zeit über dorthin geht. Die ganze Zeit. Mitunter zweimal am Tag. Unmittelbar in die Gräber hinein geht er. Mein Vetter sagt, wenn man genau zuhört, kann man Palliako sprechen hören, ganz so, wie wir hier sitzen und uns unterhalten. Wie er Scherzfragen stellt und seinen Teil zur Debatte beiträgt. Und manchmal kann man auch andere Stimmen hören, die ihm antworten.«
»Er ist kein Kundiger«, sagte der erste Mann. »Ich habe schon Kundige getroffen. Die Hälfte von ihnen konnte nicht einmal einen Furz herbeizaubern. Palliako ist etwas anderes, und wir haben verdammtes Glück, ihn auf dem Thron zu haben. Verdammtes Glück.«
»Kein anderer hätte Kalliam durchschauen können«, sagte der Mann mit dem weißen Schnurrbart. »Ich nicht, das ist verdammt sicher. Und wisst ihr, worüber auch niemand spricht? Kalliams Ratgeber? Das waren alles Timzinae. Nun sag noch einer, dass das ein Zufall war.«
Cithrin lauschte, die Hand um ihren Krug gelegt. Sie vergaß, daraus zu trinken. Stattdessen hörte sie zu, wie sich Geschichte auf Geschichte türmte, während Geder Palliako zu einer Legende heranwuchs.
C LARA
DIE SOLDATEN KAMEN MIT einem Erlass des Lordregenten. Clara hatte durchaus damit gerechnet, so sehr sogar, dass sie nicht überrascht war, als es so weit war. Tatsächlich war sie in gewisser Weise sogar erleichtert. Die langen Tage, in denen sie nach Dawsons Gefangennahme darauf gewartet hatte, waren von einer krankhaften Normalität gewesen. Wie sie ohne ihn in ihrem Gemach aufwachte, wie sie mit den Dienern und Sklaven sprach, wie sie durch die Gärten ging. Es war genau die gleiche Routine, die sie auch aufrechterhalten hatte, während er fort gewesen war, um für Geder einen Krieg zu führen. Nur war ihr Gemahl stattdessen im Kerker. Das Warten auf die Folgen war so schrecklich gewesen, dass sich die erste, die eintrat, beinahe wie eine Erleichterung anfühlte.
Sie stand im Hof vor dem Haus, während sie ihre Sachen wegbrachten. Das Bett, in dem ihre Kinder empfangen und geboren worden waren. Die Veilchen aus ihrem Sonnengemach. Ihre Gewänder und Kleider. Dawsons Jagdhunde, die winselten und an ihren dünnen Lederleinen verwirrt wirkten. Sie hatte eine eigene Börse und einen Beutel, den sie
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