Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
Seemann wurde unter Ölzeug auf gebahrt. Die übrigen, die reihenweise gefesselt waren, die Arme zurückgebogen, waren mürrisch und zornig. Marcus’ Männer grinsten und rissen Witze. Es war wie nach einer Schlacht, nur dass diesmal kaum Blut vergossen worden war. Der nasse Sand war glatt, wo die Wellen ihre Fußabdrücke fortgespült hatten. Die Maultiere, die den Geruch nach Feuer und das Gelächter der Soldaten ignorierten, zogen die Wagen, die nun mit Seide und Messingarbeiten beladen waren, wieder auf die Straße. Die Gerüche nach Salz und Rauch vermischten sich.
Weit hinten in seinem Verstand spürte Marcus den ersten Anflug der Finsternis, die ihn erneut heimsuchte. Den Nachwehen eines jeden Kampfes – sei es nun eine große Schlacht oder ein Tanz in der Schänke – wohnte immer dieser Hauch von Trostlosigkeit inne. Der Glanz und die Unmittelbarkeit des Kampfes wichen zurück, und die Welt mit all ihrer Geschichte rauschte wieder herein. Es war schlimmer, wenn er verlor, aber selbst im Sieg war die Finsternis da. Er schob sie zur Seite. Es gab Arbeit zu tun.
Yardem stand neben dem Wagen an der Spitze, ein junger Cinnae auf einem schäumenden Pferd neben ihm. Ein Bote. Als er näher kam, sprang der Junge aus dem Sattel und führte sein Pferd weg, damit es versorgt wurde.
»Wie weit sind wir?«, fragte Marcus.
»Bereit zum Aufbruch, Hauptmann. Aber es ist vielleicht am besten, wenn ich den Zug führe. Die Magistra will Euch so schnell wie möglich wieder zu Hause sehen.«
»Was ist passiert?«
Yardem zuckte beredt mit den Schultern. »Ein ehrlicher Krieg«, sagte er.
C ITHRIN
DIE BERICHTE WAREN FERTIG und versiegelt, die Seiten vernäht und mit Wachs mit dem Siegel der Medean-Bank, das sich mit Pyks persönlichem Siegel abwechselte, rundherum verschlossen. Nach der ganzen Arbeit, die hineingeflossen war, hätte Cithrin etwas mehr erwartet. Vier dünne Bände, in Leder gebunden. Der Bericht der Notarin über alles, was es über die Bank in Porte Oliva zu sagen gab, passte in einen kleinen Beutel. Es war an der Zeit, die Einzelheiten ihrer Reise zu planen, und Cithrin war sich trotz aller Vorbereitung nicht sicher.
Die Geschwindigkeit, mit der Informationen reisten, stand der Sicherheit entgegen. Ein Kundiger konnte mithilfe eines Rituals vielleicht eine einfache, dringende Nachricht von Porte Oliva nach Carse in nur zwei Tagen übermitteln. Eine Taube konnte in drei Tagen dorthin fliegen und war dabei zuverlässiger. Ein einzelner Kurier auf einem schnellen Pferd konnte die weiten Ebenen von Birancour überqueren, dabei an den Posten und Gasthäusern am Weg Halt machen und Sara-sur-mar in zehn Tagen erreichen und dann in weiteren fünf mit dem Schiff nach Carse gelangen, solange ihn keine Räuber erwischten und ihm das Wetter an der Küste gewogen war. Eine Karawane wäre noch langsamer, aber sicher. Wenn sie es gewollt hätte, hätte Cithrin ein paar Monate und mehr auf der Straße verbringen können, um hin und wieder zurück zu gelangen.
Sie hatte nachts in ihrem Zimmer gesessen, den Drachenzahn und die Karten vor sich, um mit sich zu hadern, ob sie eine Weile in Sara-sur-mar anhalten und am Hof der Königin vorstellig werden sollte, ob sie gleich von Porte Oliva aus ein Schiff nehmen und sich unterwegs die Häfen von Cabral und Herez anschauen sollte oder ob sie ganz allein in derKleidung eines Kuriers aufbrechen und ohne Begleitung in die weite Welt hinausreiten sollte. Jede neue Version schien süßer, zauberhafter, unverfälschter als die vorherige. Sie hatte sich für die goldene Mitte entschieden: Marcus, Yardem Hane und sie, die ganze Strecke auf den Drachenstraßen. Als kleine Gruppe würden sie schnell vorankommen, und mit den geübten Schwertkämpfern und ohne den Anschein, dass es bei ihnen etwas zu holen gäbe, würde der Großteil aller Schwierigkeiten ausbleiben, die auf sie zukommen mochten. Anstatt ihre Kleider und Schminksachen und die formelle Garderobe einzupacken, die sie in Carse brauchen würde, würde sie einen Kreditbrief mitnehmen und sie vor Ort kaufen.
Dann kamen die Neuigkeiten vom Krieg.
»Nein«, sagte Marcus. »Nicht übers Land. Auf allen Straßen durch Nordstade werden Flüchtlinge sein. Und auf den letzten Abschnitten in Birancour auch, wenn wir schon dabei sind.«
Das Kontor war leer bis auf sie drei – Marcus, Cithrin und Pyk. Auf dem mit Kreide geschriebenen Dienstplan stand ein halbes Dutzend Namen, aber die meisten waren noch auf der Straße und kamen
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