Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
gerade unter Yardems Befehl aus dem Marktflecken Cemmis zurück, und den anderen hatte Marcus aufgetragen, draußen zu warten. Ihre Stimmen drangen herein, aber Cithrin konnte keine einzelnen Worte verstehen. Ihre Karte war auf dem Boden ausgebreitet, und sie blickten alle darauf, als wäre in ihren Linien eine geheime Botschaft verborgen. Birancour im Süden, und die kleineren Königreiche drängten sich darum herum. Nordstade oben rechts, das wie ein tadelnder älterer Bruder darauf herabblickte. Und jenseits davon der Krieg.
»Das Meer ist auch problematisch«, sagte Pyk, die an ihren Zähnen saugte.
»Weshalb?«, fragte Cithrin.
»Gerade haben wir das Schiff eines Piraten in ein brennendes Wrack verwandelt«, erklärte Marcus. »Wir sollten ihm vielleicht ein wenig Zeit lassen, bevor wir ihm die Gelegenheit bieten, sich blutig zu rächen.«
Pyks Gesicht verdüsterte sich, aber sie sagte nichts. Cithrin hatte ihr nichts verraten, bis Marcus nicht mit der Bestätigung zurückgekehrt war, dass ihr Plan aufgegangen war. Sie hatte die Notarin unangenehm in die Ecke manövriert. Cithrin hatte im Namen der Bank gehandelt, ohne dass Pyk informiert gewesen war, aber es war auch nicht zu einer offiziellen Verhandlung gekommen, keine Papiere waren unterzeichnet worden. Nichts von dem, was sie getan hatte, verstieß gegen die Bedingungen, an die Cithrin gebunden war. Sie hatte lediglich den Geist und Zweck des ganzen Arrangements bloßgestellt und dabei auch noch die Verluste aus der Versicherung der Sturmkrähe zumindest teilweise ausgeglichen. Pyk konnte unzufrieden mit der Art sein, wie sie es erwirkt hatten, aber das Ergebnis ließ ihr kaum Spielraum für Beschwerden, genauso wenig wie für Jubel.
»Über Land nach Sara-sur-mar und dann mit dem Schiff«, schlug Pyk vor. »Damit umgeht man die Gewässer nahe Cabral und hält sich weit genug im Westen, um dem Schlimmsten auszuweichen.«
»Vermutlich der beste Weg«, stimmte Marcus zu. »In der Mitte führt er ein Stück weit durch raues Gelände. Auf den Ackerländern liegt eine große Steuerlast. Es gibt Orte, an denen Durchreisende für die Einheimischen entweder Räuber oder Beute sind.«
»Das stimmt«, erwiderte Pyk, obwohl sie darüber weniger besorgt als erfreut schien. »Man wird die Berichte bewachen müssen.«
»Ich will keine ganze Karawane«, erklärte Cithrin. »Marcus und Yardem werden genügen, denke ich.«
»Einen Dreck werden sie«, sagte Pyk.
»Das ist keine Entscheidung, die Ihr treffen könnt«, entgegnete Marcus.
Die dicken Lippen der Yemmu hingen vor Überraschung herab. »Meint Ihr das ernst?«, fragte sie. »Und ich habe wirklich gerade angefangen zu glauben, dass Ihr doch kein Idiot seid. Oder bin ich die Einzige, die sich überlegt hat, was das bedeutet? Nordstade stand letztes Jahr am Rande eines neuerlichen Erbfolgekrieges. König Tracians Hintern hat den Thron gerade erst angewärmt. Nun zieht Asterilreich – das Nachbarreich mit der längsten und am schwersten zu verteidigenden Grenze – gegen das imperiale Antea ins Feld.«
»Worauf wollt Ihr hinaus?«, fragte Cithrin.
»Du willst also mit Marcus Wester im Schlepptau dorthin? Denn so, wie ich es im Kopf habe, hat er beim letzten Mal, als er in Nordstade war, den König umgebracht.«
»Und den Thron Lady Tracian überlassen«, ergänzte Marcus.
»Und jetzt, da ihr Neffe die Krone trägt, seid Ihr vielleicht gekommen, um ihn Euch zurückzuholen«, sagte Pyk. »Wenn ich König von Nordstade wäre und Ihr in mein Königreich angetanzt kämt, während mir bereits Schwerter in den Ohren klirren, wisst Ihr, was ich dann tun würde? Euren hübschen kleinen Arsch einbuchten, nur um auf der sicheren Seite zu sein. Und dann würde ich mir denjenigen, der Euch hergebracht hat, verdammt genau anschauen, und damit meine ich nicht die Magistra hier.«
»Mir wird nichts passieren«, erklärte Marcus.
Pyk hob die Augenbrauen, aber sie sagte nichts mehr. Ein Ruf drang von der Straße herein und dann Gelächter. Ein einzelnes hartes Klopfen an der Tür kündigte Yardem Hane an. Die Ohren des Tralgu waren nach vorn geneigt, wodurch er ernst und aufmerksam wirkte.
»Es ist alles im Lager, Hauptmann.«
»Habt Ihr eine vollständige Liste?«, bellte Pyk.
Yardem ging durch das Zimmer und gab der Frau eine Handvoll Papiere, aber Cithrins Aufmerksamkeit lag noch auf der Karte; im Geiste drehte und wendete sie die Reise, die vor ihr lag. Eine unerwartete Anspannung zog sich in ihrem Bauch
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