Dollars
keine.«
»Und woher dann dieser Schwager?« ging mir plötzlich auf. Sie erhob sich und machte eine Handbewegung im Sinne von »tja, wer weiß?«.
»Woher wissen Sie das alles?« Ich erhob mich ebenfalls, das Glas Campari hatte ich kaum angerührt.
Sie warf mir einen spöttischen Blick zu. »Woher weiß ich, wann Sie geboren sind?«
Sie öffnete die Zimmertür und ging mir voran zur Wohnungstür. »Würden Sie den Herren bitte sagen, daß ich auch gelegentlich schlafe und nicht alles wissen kann?« bat sie mich im Flur.
»Aber natürlich«, antwortete ich höflich. »Und vielen Dank für alles«, fügte ich hinzu. »Ich werde morgen noch einmal versuchen, Jeanette zu Hause zu erreichen.«
»Tun Sie das. Oh... äh..., warten Sie.« Sie hatte die Tür schon halb zugemacht und öffnete sie jetzt wieder.
»Ja?«
Sie zögerte, ihr Blick verriet plötzlich Panik. »Ach nichts«, sagte sie dann und schlug mir die Tür vor der Nase zu.
Während ich zum Ausgang lief, stellte ich fest, daß ich vergessen hatte, die Rosen für Jeanette bei Frau Effimandi zu hinterlassen. Aber für gute Freunde hatte Jeanette ja immer einen Schlüssel unter ihrer Fußmatte liegen, bedachte ich und entschied, daß ich ein guter Freund war. Zuerst machte ich noch kurz die Haustür auf und zu, damit Frau Effimandi dachte, ich hätte das Haus verlassen, dann schlich ich mich die Treppe hinauf. Vor Jeanettes Tür lag eine Gummimatte, und darunter fand ich tatsächlich einen Sicherheitsschlüssel.
Ich öffnete die Tür. Drinnen war es stockfinster. Ich tastete nach einem Lichtschalter, konnte aber keinen finden und lief daher zum Fenster, um den Vorhang zurückzuziehen. Dann drehte ich mich um und blickte ins Zimmer.
Jeanette lag totenstill in dem Bett zwischen den Bücherregalen. Ich ging zu ihr hinüber, beugte mich über sie und korrigierte mich: Sie lag tot im Bett und daher still.
4
Jeanette war zur Hälfte mit einem Laken bedeckt. Ich zog es weg, sie war völlig nackt. Früher hatte sie auch schon immer nackt geschlafen. Sie hatte eine tolle Figur. Gehabt. Ein Blütenblatt von den Rosen, die ich noch immer in der Hand hielt, trudelte hinunter und blieb wie ein Tropfen Blut zwischen ihren Brüsten liegen.
Ihre Stirn war zerschrammt und ihr Hals mit roten Malen übersät. Ihre Augen starrten glasig an die Decke. Ihr Körper war hart und kalt und steif, unnatürlich, als wäre er aus Pappmaché.
Sie war sehr schön gewesen, schön und lieb – und schlecht. Voll seltsamer Geheimnisse.
»Mein Gott, wie schade«, sagte ich laut und erschrak über meine eigene Stimme, so still war es im Zimmer. Totenstill eben.
Ich mußte etwas tun, aber was? Ich legte den Strauß Rosen auf dem Tisch ab und sah mich genauer um. Neben dem Bett auf dem Fußboden fand ich ein Foto in einem silbernen Rahmen. Im Glas des Rahmens war ein sternförmiger Sprung, als hätte jemand mit einem schweren Gegenstand daraufgehauen. Es war ein Porträtfoto von einem etwa vierzigjährigen Mann mit blassem, schmalem Gesicht, hartem Mund mit dünnem Schnäuzer auf der Oberlippe und dunklem, nach hinten gegeltem, längerem Haar. Am unteren Rand stand groß: »To my dearest and beloved Jeanette, from Alfred.«
Ich hatte noch nie von einem Alfred in Jeanettes Leben gehört. Als ich ihn mir noch einmal genauer anschaute, sah ich, daß er eine dunkle Pilotenuniform trug. Das paßte. Wahrscheinlich hatte sie ihn erst kennengelernt, als sie selbst mit der Fliegerei angefangen hatte, und daher konnte ich ihn gar nicht gekannt haben.
UmsBett herum fand ich sonst nichts Besonderes. Aber auf dem Steintisch zwischen den Ledersofas fiel mir plötzlich mein Whiskyglas ins Auge und der Aschenbecher mit meiner ausgedrückten Zigarette. Auch die beiden antiken Champagnergläser standen noch da, und sie waren immer noch unbenutzt. Ich trug alles zur Kochnische, wo ich die Gläser mit heißem Wasser abspülte, sie abtrocknete und in den Küchenschrank stellte. Auf dem Kühlschrank stand ein Sektkübel. Ich machte den Kühlschrank auf und fand dort neben vielen Delikatessen eine Flasche eiskalten Champagner. Veuve-Clicquot . Trinkfertig. Es sah ganz so aus, als hätte Jeanette noch nächtlichen Besuch erwartet, der entweder nicht aufgetaucht war, oder sie waren nicht zu dem Champagner gekommen.
Als ich den Kühlschrank wieder zumachte, sah ich unter dem Küchentisch Jeanettes Schultertasche. Ich wickelte mir den Spüllappen um die Hand, hob die Tasche hoch und öffnete sie. Sie war voll
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