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Dollars

Dollars

Titel: Dollars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerben Hellinga
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Stoffe, deren Qualität man zwischen den Fingern fühlen konnte. Ich liebte Farben und Dessins. Ich liebte Oberhemden, Kragen und Manschetten. Und Krawatten. Über Krawatten hätte ich stundenlang reden können. Ich liebte auch Schuhe und Socken. Nur Hüte, Mäntel und Pyjamas liebte ich nicht.
    Auf dem Weg zum Hotel ließ ich das Taxi kurz halten und kaufte in einer Parfümerie Seife, Lotion, Aftershave, Talkumpuderund Zahnpasta. Im Hotel ging ich gleich noch einmal unter die Dusche und wählte dann einen Anzug aus.
    Nur wer zwei Jahre im Gefängnis gesessen, sich dann sechs Monate lang an einem nahezu ausgetrockneten Brunnen in Südspanien und danach sechs Monate in einem eiskalten schwedischen Gebirgsbach gewaschen hat, kann sich das Gefühl höchsten Luxus vorstellen, das ich empfand, als ich mich unter dem warmen Wasserstrahl einseifte und anschließend puderte wie ein Mädchen, das zu seiner ersten Party geht.
    Ich entschied mich natürlich für den am wenigsten zerknitterten Anzug, einen aus hellgrauem Flanell, den ich mit einem hellblauen amerikanischen Oberhemd (Saks, Fifth Avenue), einer dunkelblauen Seidenkrawatte (San Marco, Venedig), blauen Socken und schwarzen, in London (Old Bondstreet) gekauften Loafers kombinierte.
    Okay, ich war ein Snob.
     
    Ich rief noch einmal bei Jeanette an und ließ ihr Telefon endlos läuten. Komisch, aber vielleicht wollte sie an diesem Vormittag einfach nicht ans Telefon gehen, dachte ich.
    Danach führte ich meine ersten geschäftlichen Gespräche. Alle waren erstaunt, wenn sie meinen Namen hörten, sowohl die Telefonistinnen, soweit sie mich gekannt hatten, als auch ihre Chefs, die Direktoren der wichtigsten Werbefirmen in der Stadt. Die Telefonistinnen, die sich noch an mich erinnerten, klangen samt und sonders erfreut, daß ich wieder da war, aber nicht alle Chefs dachten genauso, das war ihren Stimmen deutlich anzuhören. Ich hatte in diesem Business viele Feinde, das merkte ich sofort wieder. Warum? Vielleicht, weil ich ihnen zuviel Geld abgeknöpft hatte. Auf jeden Fall war ich ihnen wohl zu dreist. Ich scherte mich um nichts und niemanden und machte den Job nur, weil er gut bezahlt war. Und das ging vielengegen den Strich. Werbung verlange Ernsthaftigkeit, fanden sie. Und sie hatten vermutlich recht, nur war mir das völlig schnurz. Ich textete, weil ich das zufällig gut konnte und mir das viel Geld einbrachte. Und was hätte ich sonst tun sollen? In irgendeinem Büro hocken?
     
    Ich traf zwei Verabredungen. Mit einem Direktor würde ich um halb eins im Americain zu Mittag essen, der zweite erwartete mich nachmittags zum Tee. Sie waren die Einzigen, die mich schon vermißt hatten und mich brauchten – das sagten sie jedenfalls.
    Es war halb elf. Ich beschloß, Blumen zu kaufen und zu Jeanette zu gehen. Wenn sie nicht da war, konnte ich die Blumen vielleicht mit einer kleinen Nachricht bei ihrer Hauswirtin hinterlassen.
    Auf der Suche nach einem Taxi kam ich am Pieper an der Prinsengracht vorüber. Ich fand, daß ich es wagen konnte, einen ersten Schritt zurück ins Kneipenleben zu tun, und ging hinein. Das Pieper war ein uraltes Trinklokal, in dem ein hervorragendes Pils gezapft wurde. Entsprechend groß war die Stammkundschaft. Zu meinem Erstaunen hatte der Besitzer gewechselt. Evert, der gallige, querköpfige, aber liebenswerte frühere Wirt, der hier an die fünfundzwanzig Jahre lang geherrscht hatte, war weg. Aber nach wie vor war der Fußboden mit Sand bestreut, die Wände waren braun gestrichen, und es gab keine Musikbox. Die allerelementarste Umgebung, die ein Mensch braucht, um sich ein gutes Glas Bier oder Genever zuzuführen. Ich stellte mich dem neuen Wirt vor. Er hatte schon von mir gehört, auch, daß ich im Knast gewesen war, wie sich daraus schließen ließ, daß er das Gespräch so lenkte, daß ich nicht zu erzählen brauchte, wo ich die ganze Zeit gewesen war. Und er zapfte ein exzellentes Pils.
    Ichrief von hier aus noch einmal bei Jeanette an. Wieder keine Antwort. Als ich an den Tresen zurückkam, waren einige Stammgäste hereingekommen. Sie blinzelten bei meinem Anblick kurz, als trauten sie ihren Augen nicht, ließen sich aber nichts weiter anmerken. Etwas später begrüßten sie mich dann mit Handschlag und sagten irgendwas Neutrales wie »na, auch mal wieder da« oder »lange nicht gesehen«. Ich grinste blöd und gab eine Runde aus. Sie fragten nicht, wo ich gewesen war oder was ich gemacht hatte, das kümmerte sie einfach nicht. Eine

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