Dollars
von dem Zeug, das offenbar in keiner Damenhandtasche fehlen darf, Lippenstift, Ohrringe, eine Rolle Lakritz, loses Münzgeld, in diesem Fall viel ausländisches, Haarnadeln, Strapse, Notizbuch.
Ich fischte das Notizbuch heraus und blätterte es kurz durch. Es standen vor allem Adressen darin, lauter Adressen von Italienern, in ganz Europa. Giuseppe Campilli, Lange Gasse 12, Wien. Alfredo Verdi, Hotel City , Bahnhofstraße 3, Frankfurt. Masimo Centadi, Soho Square 8, London. Und so weiter.
Mir schwante, daß Jeanette in irgendwas hineingeraten war, das größere Ausmaße hatte, als ich auf Anhieb überblicken konnte. Ich steckte das Notizbuch ein. Was ich damit wollte, war mir zwar nicht klar, aber daß ich es mitnehmen mußte, erschien mir selbstverständlich. Ich ging zum Bett zurück und deckte Jeanette wieder zu. Dann versuchte ich mit meinem Taschentuchmöglichst viele meiner Fingerabdrücke zu entfernen. Abschließend schaute ich mich noch einmal gründlich um, ob ich auch nichts übersehen hatte, zog den Vorhang wieder zu und verließ das Apartment so leise ich konnte. Den Schlüssel legte ich wieder unter die Matte. Auf Zehenspitzen schlich ich die Treppe hinunter, war froh, als ich endlich draußen stand, und noch froher, als ich um die nächste Ecke war. Es war unterdessen schon fast zwölf Uhr geworden, und um halb eins mußte ich im Americain sein.
Im proppenvollen Edel-Café-Restaurant des Americain herrschte eine Geräuschkulisse wie in einer Bahnhofshalle. Von Zeit zu Zeit wurde über Lautsprecher ein Gast ans Telefon gerufen, wie man auf Bahnhöfen Rangierer oder Maschinisten ausruft. Fehlte nur die gellende Pfeife des Bahnhofsvorstehers und das Ächzen der anfahrenden oder haltenden Züge, um die Illusion perfekt zu machen.
Ich konnte mich nicht auf das Gespräch konzentrieren. Larings hatte ein unglaubliches Mittagessen auffahren lassen, mit Lachs, Pastetchen, Fleischplatten, köstlichen Hors d’oeuvres... Nicht etwa mir zu Ehren übrigens, nein, er selbst war ein unverbesserlicher Genußmensch und Vielfraß und pflegte jeden Mittag so zu tafeln. Ich war noch nie mit dabei gewesen, hatte aber schon gehört, daß das ein ganz besonderes Ereignis sein mußte. Es wurde geraunt, daß er schon mal für einen Abend nach Paris flog, nur um dort zu schlemmen. Wie der Mann das bei seiner vielen Arbeit schaffte, war mir ein Rätsel. Wenn ich zu Mittag esse, bin ich für die nächsten paar Stunden immer völlig geschafft, und deshalb lasse ich es lieber. Ausgenommen in einem so besonderen Fall wie diesem.
Larings redete wie ein Wasserfall, von seinem Bungalow in Loosdrecht, seinen Jagdhunden, seinem Segelboot, seinem Sportwagen, seiner Frau – einer scharfen Braut, wie ich aus berufenem Munde wußte, die mit der gleichen Unersättlichkeit Männer verschlang wie er seine Leckerbissen. Ihre Partys waren berüchtigt. Sie pendelte ständig zwischen Schlafzimmer und Garten, während er am kalten Büfett mit ihren Opfern plauderte.
Ein Ober stellte eine weitere Platte mit knusprigen Pastetchen auf den Tisch und schenkte mir Wein nach. Ich war schon von dem Sherry, Bier und Campari, die ich im Laufe des Vormittags durcheinander getrunken hatte, reichlich beduselt, und jetzt mußte ich mir auch noch eine ganze Flasche Rotwein zu Gemüte führen. Ablehnen konnte ich nicht, denn Larings hatte den Wein eigens für mich bestellt, weil er mich für einen Weinkenner hielt.
»Wann kannst du loslegen, Sid?« Er grinste über das ganze Gesicht, als hätte er gerade einen guten Witz erzählt und wartete nun auf mein Gelächter. Ich wußte aus Erfahrung, daß dies der Auftakt zu einer harten geschäftlichen Verhandlung war, auf die ich überhaupt keine Lust hatte.
»Wann du willst, Chef.«
Chef, auch so ein Schwachsinn, wer will denn schon Chef genannt werden! Aber er erwartete das sogar von seiner Frau.
»Konkret, Sid, konkret. Wann kannst du anfangen, wie lange brauchst du, wann bist du spätestens fertig?«
Konkret, der hatte Nerven! Wie sollte ich wissen, wie lange ich dafür brauchen würde, die Kaugummi kauenden Niederlande davon zu überzeugen, daß Belos Bubblegum das einzig Wahre war? Belos Bubblegum – bessere Blasen bals bie Blasen ber Bonburrenz.
Jeanette hatte diesen Italiener also als ihren Schwager vorgestellt, aber Frau Effimandi hatte schnell durchschaut oder rausgefundenoder »gesehen«, daß sie keine Schwester hatte und somit auch keinen Schwager haben konnte. Dieser Italiener war
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