Dollars
nicht weiter. »Was soll ich dir mitbringen?«
»Von wo?«
»Aus Paris natürlich. Jetzt werd doch endlich mal wach.« Sie gab mir einen kleinen Rippenstoß.
»Ach ja, Paris. Wenn du genügend Zeit hast, dann gerne eine Krawatte von Hermès.« Ich zog fünfundzwanzig Gulden aus meiner Brieftasche. »Hier.«
»Was soll ich denn damit?«
»Für die Krawatte.«
»Es soll doch ein Geschenk sein.«
Ich steckte den Schein in die Tasche ihrer Uniformjacke. »Ich möchte gern eine Foulardkrawatte, die Farben überlasse ich dir.«
Während ich sie umarmte, fing ich den Duft ihres Parfüms auf. Blue Grass .
Sie biß mir sachte ins Kinn. »Be good now, Sid.«
»See you, baby.«
So nehmen Liebespärchen auch in Gangsterfilmen immer Abschied voneinander. Während ich durchs Treppenhaus nach unten ging, hörte ich hinter den Eichenholztüren das leise, stetige Rattern elektrischer Schreibmaschinen. Die Welt hatte ihr emsiges Tagewerk aufgenommen. Der eine saß in seinem Büro am Schreibtisch, die andere brach auf, um in einem Flugzeug zwischen Amsterdam und Paris Tassen auszuteilen. Nur Sid Stefan mußte sich, blöd wie er war, noch tiefer in ein schizophrenesGewirr hineinbegeben, wo Mord real war und Schmerz und Gewalt an der Tagesordnung.
Binnen vierzig Minuten war ich in Bergen. Bei Pauline um die Ecke hatte ich eine Werkstatt gefunden, wo ich einen VW Käfer mieten konnte. Nicht gerade ein Schlachtschiff, aber immerhin schnell genug.
Hinter dem Haus, in einem schlammigen Seitenweg, stand ein schwarzer Lincoln mit belgischem Nummernschild halb im Gebüsch. Ich stellte den VW eine Ecke weiter ab und sah mir den Wagen dann aus der Nähe an. Er war abgeschlossen und bis auf ein Plaid auf der Rückbank leer. Aber unter dem Plaid lag, gerade noch sichtbar, eine schwarze Maschinenpistole.
Das Plaid war wohl beim hastigen Einparken halb von der Bank gerutscht, und die Maschinenpistole hatten sie vermutlich zurückgelassen, weil sie schon schwer genug bewaffnet waren. Dem Himmel sei Dank, daß die ganze Familie ausgeflogen war! Ich zog mein Taschenmesser heraus und schaute mich um.
Weit und breit niemand zu sehen. Was die konnten, konnte ich auch. Schnell schnitt ich die Ventile der Vorderreifen ab, und sie leerten sich mit leisem Pfeifen. Dann nahm ich die Pistole aus dem Schulterholster und pirschte mich durchs Gebüsch auf das Haus zu. Ich hatte einen Schlüssel von der Vordertür, wußte aber, daß die Hintertür bei der Küche immer für Lieferanten offen gelassen wurde. Ich öffnete sie mit größter Behutsamkeit, aber die rostigen Scharniere knarrten immer noch viel zu laut.
In der Küche hing ein ekliger Krankenhausgeruch. Der dicke Boxer lag in seinem Korb unter dem Küchentisch. Ich ging in die Hocke. Unter dem Tisch wurde der Geruch stärker, sie hatten ihn im Schlaf mit Chloroform betäubt.
Als wenn sie von dem alten Vieh was zu befürchten hätten. Eswar stocktaub und so gut wie blind und konnte kaum noch laufen. Ich zog die Schuhe aus und huschte mit der Pistole in der Hand, den Finger am Abzug, auf den Flur. Dort blieb ich einige Minuten lang regungslos stehen und horchte, aber ich hörte nichts als das Ächzen des Dachs im steifen Wind, das Knarren von altem Holz und meinen Herzschlag, der laut in meinen Ohren pochte. Nichts rührte sich. Rein gar nichts. Vorsichtig, mit schnellen Bewegungen und drohend ausgestreckter Pistole, überprüfte ich das Haus. Es war niemand da, oder besser gesagt, es war niemand mehr da.
Mein Gepäck im Gästezimmer war wieder durchsucht worden. Das sah ich sofort, obwohl sie meine Sachen diesmal nicht auf einen Haufen geworfen, sondern alles fein säuberlich so gelassen hatten, wie es war. Während ich kontrollierte, ob etwas fehlte, hörte ich draußen lautes Geschrei. Ich schaute aus dem Fenster und sah eine Familie um den Lincoln versammelt. Der Mann sprang fuchsteufelswild auf und ab und stampfte mit dem Fuß in den Schlamm. Seine modische Frau blickte bedeppert auf den Wagen. Und daneben standen stumm drei schwerbewaffnete Jungen zwischen zehn und vierzehn. Zwei von ihnen hielten treudoof ihre Plastikmaschinenpistolen im Anschlag, der dritte trug ein Bazooka-Imitat in Kleinformat über der Schulter. Durch das geschlossene Fenster drangen einzelne Worte zu mir herauf: »Les cochons, les salauds, incroyable, ces cons, j’aijamais...«
Ich duckte mich, zog den Vorhang zu und packte meine Koffer. Es tat mir schrecklich leid für sie.
Gerade als ich im Wohnzimmer
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