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Dollars

Dollars

Titel: Dollars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerben Hellinga
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wie viele Gläser ich geleert und mit wie vielen Leuten ich wie lange gequatscht habe, denn ich hatte einen totalen Blackout. Irgendwann kam ich in einem kleinen Lokal, in dem ich noch nie gewesen war, wieder zu mir, schwarzen Kaffee trinkend. Der Wirt saß auf der anderen Seite des Tresens und sah mich freundlich an. Sonst war niemand da.
    »Geht’s wieder etwas besser?« fragte er.
    »Wie komme ich hierher?«
    »Wer weiß? Sie sind hier hereingeschneit. Halb bewußtlos gesoffen. Ich konnte Sie nicht mal verstehen.«
    »Die wievielte Tasse Kaffee ist das jetzt?«
    »Ihre sechste.«
    Ich schüttelte den Kopf. Er fühlte sich bleischwer an, aber ich war wieder nüchtern. Im Spiegel hinter der Theke sah ich, wie ich dahockte. Mein schwarzer Anzug sah aus, als hätte ich lange darin gewohnt. Meine Krawatte war mir irgendwie abhanden gekommen.
    Verdammt, die war teuer gewesen. Wie gut, daß Pauline mir eine aus Paris mitbrachte. Scheiße, Pauline!
    »Wie spät ist es?«
    »Viertel nach zwölf.«
    Keine Ahnung, wieso ich das fragte, ich hätte es genauso gut von meiner Armbanduhr ablesen können.
    »Haben Sie ein Telefon?«
    »Da in der Ecke.«
     
    »Oh, Sid, bin ich froh, daß du anrufst. Ich fürchtete schon, daß du... was hast du heute gemacht?«
    DiesePauline fragte mich ein bißchen zu oft, was ich machte. Das hatte sie am Vormittag auch schon die ganze Zeit getan. Eh man sich’s versieht, wird man von so einer Frau völlig vereinnahmt.
    Aber was hatte ich eigentlich gemacht? Ach ja. Das Motel. Das Hilton . »Alles Mögliche.«
    »Wo bist du jetzt?«
    »In einer Kneipe.«
    »Was ist mit dir? Deine Stimme klingt so komisch.« »Nichts.«
    Pause.
    »Sehe ich dich noch... heute nacht?
    »Gut. Aber ich geh mich erst umziehen.«
    »Fein. Hör mal, Sid, ist das kein Zufall? Gestern haben wir doch noch von King gesprochen, und heute abend habe ich ihn gesehen.«
    »King? Wo?«
    »Na, auf dem Flughafen, in Schiphol. Wir sind zur gleichen Zeit gelandet. Er hat mich nicht mal gegrüßt, obwohl er mich sehr wohl gesehen hat. Ist schnurstracks durch den Zoll und in ein Auto gestiegen. Ich schätze, er will Jeanette besuchen. Meinst du nicht auch?«
    »Suchen« wäre zutreffender gewesen.
    »War er allein?«
    »Ja, sicher. Wann kommst du, Sid?«
    »Das kann ich nicht genau sagen. Vielleicht wird es noch sehr spät. Geh lieber schon schlafen. Ich ruf dich morgen an.«
    »Nein, ich bin nicht müde. Ich warte auf dich. Du wolltest dich doch nur kurz umziehen, oder?«
    »Ja.«
    »Na, das dauert doch nicht so lange?«
    »Nein.«
    »Wie spät wird es denn ungefähr?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Sid...«
    Ich legte auf. »Hätten Sie ein Glas Milch für mich?«
    Der Wirt schaute leicht verwundert, schlurfte dann aber doch nach hinten.
    King war also gekommen, um Jeanette zu suchen. Sie hatte bestimmt eine Verabredung nicht eingehalten, und er hatte bei ihr angerufen, sie nicht erreicht und sich Sorgen gemacht.
    Ich war der einzige, der wußte, was mit Jeanette passiert war. Ich mußte ihn darüber informieren und ihn zugleich vor Carlo warnen.
     
    Ich stellte meinen Wagen, den ich erst nach langem Suchen gefunden hatte, wieder um die nächste Ecke, in der Willem de Zwijgerlaan ab und ging zur Geuzenkade zurück. Die Vorhänge im ersten Stock waren zugezogen, aber man sah kein Licht hindurchschimmern. Während ich auf den Hauseingang zulief, zog ich die Beretta aus dem Schulterholster und steckte sie in die rechte Tasche meines Jacketts. Dann klingelte ich. Einmal kurz und unaufdringlich, wie es einer tut, der sagen will: Ich bin’s, machen Sie mal eben auf. Ich sah in meinem zerknitterten Anzug zwar nicht sonderlich vertrauenerweckend aus, hoffte aber, daß King mir trotzdem Glauben schenken würde. Daß er in die Geuzenkade gehen würde, wenn er Jeanette nicht in ihrer Wohnung antraf, lag für mich auf der Hand. Er dürfte von Frau Effimandi erfahren haben, daß sie für einige Tage verreist sei, ohne eine Adresse zu hinterlassen, und daß ihr Schwager, Carlo, Kleidung für sie geholt habe. Also konnte er davon ausgehen, daß Carlo wußte, wo Jeanette steckte, und die Wohnung hier hatte er ja schließlich selbst an Carlo untervermietet.
    Doches wurde nicht aufgemacht. Entweder war King noch nicht da, oder er war schon wieder weg. Eigentlich hatte ich auch nichts anderes erwartet. Irgendwie mußte ich ihn aber unbedingt erreichen. Ich beschloß, ihm einen Zettel zu hinterlassen, auf dem ich ihn bat, am nächsten Morgen um elf Uhr

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