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Dollars

Dollars

Titel: Dollars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerben Hellinga
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Rücken einer Frau, die Geschirr zu spülen schien.
    »Ziemlich spät für den Abwasch«, sagte ich, bevor ich die Türklinke runterdrückte. Zur Antwort glaubte ich ein Schluchzen zu hören. Ich öffnete die Tür und trat in den Raum.
    Inder Werbung nannten wir so was immer lieber Wohnbereich als Wohnzimmer. Es war so ein äußerst großzügiger, vermutlich die ganze Breite des Hauses einnehmender Raum mit einer tiefer gelegten Ebene, mir direkt gegenüber, wo in einem riesigen offenen Kamin ein Feuer brannte. Die gesamte Einrichtung des Raums war in Grautönen gehalten. Auf dem Boden lag ein dicker grauer Teppich, und überall standen graue Sessel und graue Sofas. Ein zugezogener hellgrauer Samtvorhang, der von der Decke bis auf den Boden fiel, nahm eine gesamte Seite des Raums ein. Da und dort standen noch ein paar Holzmöbel, Tische und Schränkchen aus Rosenholz und Nußbaum mit Einlegearbeiten. Und überall prangte kostspieliger Zimmerschmuck wie etwa mit Jagdszenen bedruckte Lampenschirme, mit Likör gefüllte große Glastiere oder eine zur Uhr gestaltete Kupferpfanne. All solches Zeugs eben, das in speziellen Läden zu haben ist, in denen spezielle Menschen mit Silberhaar und weißen Pudeln, mit grauen Wohnbereichen und Schiffslaternen im Vorgarten einkaufen. Nur die Bilder an den Wänden wirkten deplaziert. Es handelte sich um schlecht gemalte Kriegsszenerien. Eine schwarze Spitfire beschoß eine rauchende Messerschmitt. Das schneidige Gesicht des jungen Piloten wurde von einer entfernten Explosion rosafarben überhaucht.
    Dann vier Jagdbomber, die wie Fliegen über einem brennenden Torpedoboot schwebten. Der Himmel um sie herum war purpurn getüpfelt von den Granatendetonationen des Abwehrgeschützes, und die Wolken leuchteten glutrot im Flammenschein. Und dann das Porträt eines jungen Piloten, der lachend zu einem über ihn hinwegfliegenden Geschwader hinaufschaute.
    An einer Nylonschnur über dem Steinway-Flügel in der Mitte des Raums hing eine kleine Spitfire. Es sah fast so aus, als nähme sie mit ihren Bordkanonen einen Miniaturpanzer in Beschuß, der auf dem Flügel stand. Neben einer Büste von Beethoven.
     
    Vor dem Kaminfeuer, auf der anderen Seite des Raums, saßen drei Männer, die mich regungslos und stumm anblickten. Ich machte die Tür hinter mir zu und blickte stumm zurück.
    Vielleicht kam es durch das Pervitin, ich weiß es nicht, jedenfalls fing ich in den wenigen Sekunden, die ich da so stand, an zu phantasieren. Ich stellte mir vor, ich sei ein Sproß der Inkas und stünde vor einem Triumvirat von Hohepriestern, die mich anschließend einem blutrünstigen Gott als Sühneopfer darbieten würden. Meine Familie, Vater, Mutter und drei dunkelhäutige Schwestern, stand draußen in der dankbaren Menge und war stolz, daß man mich auserwählt hatte. Um diese Ehre hatte ich lange kämpfen, hatte viele Wettkämpfe im Bogenschießen, Laufen, Kopfrechnen gewinnen müssen. Aber jetzt war es endlich so weit.
    Erst als sich einer der Männer erhob, kam ich auf den Boden der Wirklichkeit zurück. Es war ein kleiner, ziemlich dicker Mann, der einen braun-gelb karierten Tweedanzug typisch englischen Zuschnitts trug. Das Gesicht über dieser Countryside-Uniform wirkte freilich alles andere als englisch. Die breiten, hohen Wangenknochen, der runde Schädel und das scheitellos nach hinten gekämmte, fettige Haar ließen eher auf einen Mitteleuropäer schließen. Er hatte wäßrige blaue Äug-lein, mit denen er mich höflich anzusehen versuchte.
    »So, so, Alfred, das ist wirklich lange her.« Er sprach englisch, mit scharfem deutschem Akzent. Das mußte der erwähnte Schlüffer sein, nahm ich an.
    »Du sagst es.«
    »Scotch pur oder mit Soda?« Er deutete auf ein Messingtischchen mit Flaschen und Gläsern. Wieso merkte er nichts?
    »Pur. Wo ist Jeanette?« Ich blieb stocksteif an der Tür stehen. Er zog den Korken aus einer Flasche. »Eis?«
    »Gern.«
    »Du kennst Romeo noch nicht, glaube ich. Unser neuer Vertreter hier in Amsterdam.« Er zeigte auf einen hochgewachsenen, schlanken, jungen Italiener mit dunkel getöntem Gigologesicht, samtbraunen Rehaugen und reichlich glänzendem schwarzen Haar, der wie hingegossen in seinem Sessel lehnte. Er sah mich von oben herab an, ich starrte zurück. Zumal er ziemlich eigenartig gekleidet war mit seinem eng geschnittenen grünen Anzug, blau bestickter Weste und grauen Reiterstiefeln. Der dritte Mann, dem ich nicht vorgestellt wurde, weil wohl davon ausgegangen

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