Dollars
Abschiedsgeste. Ich schaltete in den zweiten und Sekunden später in den dritten Gang, und der Jaguar schoß röhrend durch die Nacht. Während ich durch den Lichttunnel steuerte, dendie Scheinwerfer zwischen die Bäume warfen, versuchte ich das Getöse der sich aufbäumenden zweihundertfünfundsechzig Pferdestärken zu überschreien, aber ich konnte meine eigene Stimme kaum verstehen.
»Kriegt mich doch, kriegt mich doch!« rief ich.
Als ich Amsterdam erreichte, war ich völlig alle. Das Pervitin war verbrannt, und da ich in der Nacht zuvor auch schon kaum geschlafen hatte, waren meine Akkus leer. Langsam fuhr ich durch die schlafende Stadt zur Geuzenkade, denn obwohl ich nur noch an Schlafen denken konnte, war mir klar, daß ich zuerst meinen Käfer zurückhaben und den Jaguar loswerden mußte. Überall zog ich eine Spur von Leichen hinter mir her, ich konnte mir nicht auch noch eine Spur nicht zurückgebrachter Leihwagen erlauben. Einer stand schon bei Pauline vor der Tür, noch dazu mit zerschnittenen Reifen, was mehr als lästig war. Ich nahm mir vor, gleich am nächsten Morgen die Werkstatt in Bergen anzurufen, wo ich den Wagen gemietet hatte.
Daß es womöglich gefährlich sein konnte, in die Geuzenkade zurückzukehren, kam mir bei meinem schweren Kopf gar nicht in den Sinn. Schließlich hätte schon die Polizei da sein können oder Leute von Schlüffer, die zur Observierung hergeschickt worden waren.
Aber es war niemand da. Schlaftrunken taumelte ich aus dem Jaguar zur Eingangsnische des Hauses, um die Autoschlüssel durch den Briefschlitz zu werfen. Pisicini würde wohl inzwischen tot sein. Wenn die Polizei endlich eintraf, würde sie auch die Autoschlüssel finden, die zu dem angeschossenen Auto vor der Tür gehörten. Und damit würde sie wenigstens auch Schlüffer auf die Spur kommen. Und wenn die Polizei nicht kam, würde das Auto bestimmt nach ein paar Tagen auffallen, und man würde in der Gegend herumfragen, wemer gehörte, und überall klingeln, und wenn bei Carlo nicht aufgemacht würde, würden die Nachbarn sagen: »Da wohnt ein italienischer Journalist, ein komischer Typ, bekommt immer so merkwürdigen Besuch, wo steckt er eigentlich?« und man würde die Tür aufbrechen und die Schlüssel finden und Pisicini...
Auf dem Weg zum Motel schlief ich zweimal fast am Steuer ein, aber beide Male wurde ich gerade noch rechtzeitig wieder wach.
Schlafen kann man auf vielerlei Art. Wie ein Murmeltier, wie ein Stein, nur leicht schlummernd, unruhig und und und. Aber am allerliebsten ist mir das bewußte Schlafen. Da weißt du, während du schläfst, daß du schläfst. Und kannst es genießen. Du denkst, während du schläfst: noch drei Stunden!, drehst dich auf die andere Seite, kuschelst dich unter die warme Decke und bist dir bewußt, daß du noch drei Stunden lang völlig vergessen, sanft und selig und schlapp wie ein Baby auf dem Grund dieses stillen, dunklen Teichs liegen bleiben kannst. Nur eines kann diese Wonne beeinträchtigen: die Angst vorm Aufwachen.
Ich fällte Bäume. Der Vormann hatte die Richtung festgelegt, in die der Baum fallen sollte, und einen entsprechenden Keil geschlagen, und ich rückte dem Stamm mit der Motorsäge zu Leibe. Während sich der heiße Stahl durch den Baum fraß, stieg mir der scharfe Geruch seines Holzes in die Nase. Ein Strom dicken, braunen Harzes rann wie Sirup über die Rinde. Mit donnergleichem Krachen fiel der Baum um. Ein gefällter Baum ist wie ein toter Walfisch, finde ich. Ich gab der Leiche einen Namen. Fahrer nannte ich sie und drehte mich um, um meinen Kollegen Bescheid zu geben, daß sie mit dem Kappen der Äste beginnen konnten. Hinter mir führte eine langeSchneise aus von mir gefällten Bäumen den Berg hinauf. Gebräunte, halbnackte Männer waren mit schweren Äxten dabei, die Stämme vom störenden Geäst zu befreien und transportfertig zu machen.
Ich hatte allen meinen Opfern Namen gegeben. Jeanette hieß das erste, eine hohe, schlanke, noch junge Föhre. Carlo war der Name des zweiten, eines knorrig verwachsenen kleinen Bäumchens. Dann gab es noch Pisicini und Romeo, in deren Geäst viele Vogelnester gewesen waren, und jetzt also den Fahrer.
Carl, der Vormann, kam wieder zu mir, und wir gingen zusammen zu einem weiteren Baum. In dessen Rinde war ein Klingelknopf, daneben ein Namensschild. Effimandi stand darauf. Carl klingelte, aber es wurde nicht aufgemacht. »Sie ist nicht zu Hause«, sagte er, »leg sie ruhig um.«
Ich griff zur
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