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Dollars

Dollars

Titel: Dollars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerben Hellinga
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Motorsäge, und dabei fiel mein Blick auf eine Brieftasche, die auf dem Boden lag. Ich wußte, daß mein Foto darin sein würde, hob die Brieftasche auf und nahm das Foto heraus. Währenddessen schärfte ich mir selbst ein: »Nicht aufwachen! Bloß nicht aufwachen!«
    Ich betrachtete das Foto lange Zeit und studierte jedes Detail. Und mit einem Mal ging mir auf, wo und wann das Foto gemacht worden war. Im selben Moment spürte ich, wie mir der Schlaf entglitt beziehungsweise wie ich dem Schlaf entglitt. Ich wankte und taumelte durch den Wald, während die Stämme um mich herum immer mehr verschwammen und die Stimmen meiner Freunde immer entfernter klangen.
    Zuerst blieb ich noch geraume Zeit regungslos liegen. Mein Körper war bleischwer. Da mein Kopf auf meinem linken Arm ruhte, konnte ich auf meine Armbanduhr schauen, ohne mich bewegen zu müssen. Es war halb sieben. Ich hatte höchstens eine Stunde geschlafen. Vorsichtig richtete ich mich auf. Die Vorhängewaren nicht zugezogen, draußen begann es hell zu werden, ein grauer Morgenhimmel hing über der Stadt am Horizont. Ich war völlig angezogen auf dem Bett eingeschlafen.
    Ich versuchte, mich zu erinnern, was mich geweckt hatte, und nach großer Anstrengung dämmerte mir, daß es etwas mit dem Foto zu tun gehabt haben mußte. Etwa dem Foto von mir, das ich bei diesem Pisicini gefunden hatte? Ich zog meine Brieftasche aus meiner Innentasche und nahm das Foto heraus. Mit ihm kullerte noch ein Pervitin heraus. Ich steckte es automatisch in den Mund und spülte es mit einem Schluck Cognac aus der auf dem Nachttisch stehenden Flasche runter. Dann sah ich mir das Foto an und versuchte, mir meinen Traum zu vergegenwärtigen. Wodurch war mir noch gleich aufgegangen, wo, wann und von wem dieses Foto gemacht worden war?
    Das Bild! Natürlich, die Ecke von dem Bild, das hinter meinem Kopf hing. Es war das Bild, das hinter mir gehangen hatte, als ich im Zimmer von Mr. Henderson im Hilton gewesen war.
     
    Kaffee, schwarz. Cornflakes mit kalter Milch. Orangensaft, eiskalt. Toast, Marmelade. Obwohl ich keinen Hunger hatte – Pervitin ist ein Appetitzügler –, bestellte ich sicherheitshalber doch ein Frühstück. Nur ein Mr. Henderson hatte angerufen, ansonsten hatte der Portier keine Nachrichten für mich. Mr. Henderson hatte nichts für mich hinterlassen und würde wohl noch einmal anrufen.
    Anschließend setzte ich mich in der Duschkabine auf den Boden und ließ mir eine Viertelstunde lang eiskaltes Wasser über den Rücken laufen, bis meine Haut fest und rot war und überall prickelte.
    Als das Frühstück kam, war ich bereits angezogen und fühlte mich halbwegs neugeboren. Nichts wirkt auf mich so belebend wiesaubere, schöne Kleider am Leib. Ein Liter Kaffee besorgte den Rest. Um acht Uhr konnte ich den Tag angehen. Ich war zwar noch ein bißchen blaß, meine Augen lagen etwas zu tief in den Höhlen, das Augenweiß war eine Spur zu gelb, meine Wangen waren eingefallen und mein Mund sah ziemlich verkniffen aus, aber ansonsten fühlte ich mich ganz gut. Und ich hatte Lust, mit ein paar Leuten zu reden. Höchste Zeit, daß ich mal die Initiative ergriff.
    Zuerst rief ich Pauline an. Sie nahm nicht ab. Vielleicht war sie sauer, weil ich mich nicht hatte blicken lassen. Recht hatte sie. Vielleicht war sie aber auch tot, durchaus möglich. Dann rief ich im Hilton an und reservierte ein Zimmer im obersten Stock. Eine Etage über Mr. Henderson.
    Ich packte meine Koffer, beglich in der Motelrezeption meine Rechnung und fuhr in die Stadt. In Scharen drängten Radfahrer durch die Straßen der Vororte Richtung Zentrum. Allesamt mit frisch rasierten Morgengesichtern. Allesamt auf dem Weg zur Arbeit. Ich hatte auch einen Job zu erledigen... unter meiner Achsel den befriedigenden Druck der Beretta.

13
    Ich hatte zuerst, wie man das in Hotelzimmern so macht, kurz das Bett probegelegen – die Prinzessin auf der Erbse hätte bestimmt nichts zu bemängeln gehabt –, dann die Wasserhähne aufgedreht – es kam kein rostiges Wasser heraus, aber auch keine Coca-Cola, wie politisch Andersdenkende vielleicht vermutet hätten –, und dann einen Gulden in den Radioautomaten gesteckt. Jetzt stand ich vor dem großen Fenster und lauschte, während ich hinausschaute, Mozarts Klarinettenquintett, das wie so oft viel zu lahm runtergenudelt wurde, weil die Musiker wieder mal nicht kapiert hatten, daß klassische Musik auch swingen kann. Ich ließ etwas Asche von meiner Zigarette auf den

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