Dollars
möchte kurz mit den italienischen Herren sprechen, die bei Ihnen zu Besuch sind«, sagte ich freundlich und drückte die Tür höflich, aber sehr entschieden weiter auf. Frau Effimandi trat einen Schritt zurück und starrte mich ungerührt an, doch dann lächelte sie plötzlich, wobei sie charmant ihr vergilbtes Gebiß entblößte, und sagte: »Aber natürlich, Herr Stefan, kommen Sie doch herein. Sie haben Glück, ich habe gerade Tee gemacht, und Sie mögen doch bestimmt auch gern ein Plätzchen.«
»Bestimmt«, versicherte ich, während wir ins Wohnzimmer gingen. Der Duftkugelgeruch schien weniger betäubend zu sein als bei meinem ersten Besuch, aber das lag vielleicht daran, daß diesmal keine Sonne hereinschien und die Wirkung verstärkte.
»Sprechen Sie vielleicht Italienisch?« fragte Frau Effimandi. »Die Unterhaltung ist ein wenig mühsam, denn die Herren verstehen weder Französisch noch Englisch.«
»Das trifft sich gut, denn mein Italienisch ist ganz passabel.«
Als wir das Zimmer betraten, standen die beiden höflich auf, und nachdem ich mich vorgestellt hatte, schüttelten sie mir ernst und förmlich die Hand. Sie stellten sich als Enzo und Bruno Molinari vor, waren also Brüder.
»Sie kommen geradewegs aus Italien, soweit ich verstanden habe. Ein Täßchen Tee, Herr Stefan?«
»O ja, gern.«
Wir setzten uns alle. Die beiden Italiener bemühten sich zu lächeln. Sie waren noch sehr jung, höchstens zwanzig, schätzte ich, und sie sahen ziemlich zerschlagen aus, mit dunklen Ringen unter den Augen und Stoppelkinn. Sie waren allem Anschein nach aus gutem Hause, wohlerzogene junge Leute, Studenten vielleicht.
»Kommen Sie wirklich geradewegs aus Italien?« fragte ich sie auf Italienisch.
Sie nickten erfreut. »Ja, ja, wir sind in einem Rutsch durchgefahren, in sechzehn Stunden, haben uns am Steuer abgewechselt«, sagte der, der Enzo hieß und der Ältere zu sein schien.
»Donnerwetter«, sagte ich anerkennend, und sie lächelten stolz. »Und wieso?«
»Wir wollten unseren Bruder überraschen.«
»Der wohnt hier in Amsterdam«, fügte Bruno hinzu.
Frau Effimandi reichte mir eine Tasse. Sie enthielt scharfen Pfefferminztee. Kein Wunder, daß die beiden Italiener ihre Tassen nicht anrührten.
»Aber was führt Sie hierher, wenn Sie Ihren Bruder besuchen wollen?«
»Ach so«, sagte Bruno, »Romeo wohnt nicht mehr an seiner alten Adresse, offenbar schon seit mehreren Tagen nicht mehr. Und wir kennen in Amsterdam sonst nur Signorina van Waveren, die wir mal in Mailand kennengelernt haben. Sie ist mit Romeo befreundet. Zum Glück hatten wir noch ihre Adresse hier. Aber sie ist nicht da. Sie scheint krank zu sein, soweit wir die Dame verstanden haben.« Er deutete mit dem Kopf auf Frau Effimandi, die gerade wieder mit der Keksdose herumging. Er lehnte mit freundlichem Kopfschütteln ab. Die Plätzchen waren bestimmt schon ein Jahr alt. Ich nahm trotzdem eins, das hatte ich ihr schließlich versprochen. Ich hoffte nur, daß sie nicht vergiftet waren.
»Und sie scheint auch nicht zu wissen, wo sie ist. Wie sollen wir jetzt herausfinden, wo Romeo wohnt?« sagte Bruno. »Romeo ist euer Bruder?«
Sie nickten eifrig. »Ja, ja, Romeo Molinari. Kennen Sie ihn vielleicht?«
»Groß, schlank, große braune Augen, lange schwarze Haare, auffällig gekleidet?«
»Genau«, riefen sie wie aus einem Mund und beugten sich gespannt zu mir herüber.
Ich sah, daß Frau Effimandi ungeduldig auf ihre Armbanduhr schaute, und sagte beiläufig: »Er kommt sowieso nicht.« »Wer kommt nicht?« fragte sie.
Mit einem Mal schlugen die Kopfschmerzen mit voller Wucht zu, und mir wurde schwindlig. Ich versuchte es zu ignorieren. Ein wenig mußte ich noch durchhalten. Ich zog ein Stück Papier aus meiner Brieftasche und schrieb Paulines Telefonnummer darauf. »Rufen Sie mich heute nachmittag um vier unter dieser Nummer an«, sagte ich und reichte Enzo den Zettel. »Es ist besser, wenn Sie jetzt gehen.« Ich erhob mich, und sie folgten meinem Beispiel. »Mr. Henderson«, fuhr ich an Frau Effimandi gewandt fort. »Sie hatten vorhin mich am Apparat, wissen Sie.«
Enzo und Bruno starrten mich an, nicht mißtrauisch, sondern erstaunt. Von mir schauten sie auf den Zettel, dann sahen sie sich gegenseitig an und schließlich zuckte Enzo die Achseln. »Gut«, sagte er, »wir rufen Sie an. Ist irgend etwas mit Romeo?«
»Heute nachmittag«, sagte ich. »Wir können hier nicht in Ruhe reden. Ich denke aber schon, daß ich Ihnen helfen
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