Dollars
vier zu wecken!« Ich war sofort hellwach. »Wo bist du jetzt?« fragte ich erneut, während ich mich aufsetzte.
»In London.« Der Intonation ihrer Stimme konnte ich nicht entnehmen, ob sie log. »Hör zu, Sid.«
»Ja?«
Sie zögerte kurz. »In der Küche steht Kaffee, du brauchst nur das Gas anzumachen. Und im Kühlschrank ist Orangensaft, und Joghurt. Wie fühlst du dich jetzt?«
»Prima, glaube ich. Ich bin noch nicht aufgestanden. Wann kommst du wieder?«
»Heute abend.«
Vielleicht sagte sie ja tatsächlich die Wahrheit. Auf den Stuhl hatte sie neben die Wecker meine Zigaretten gelegt, mit einer Schachtel Streichhölzer. Ich zündete mir eine an.
Der unangenehme Geschmack, den ich den ganzen Vormittag im Mund gehabt hatte, war weg.
»Sid?«
»Hm?«
»Ich hab’ getan, um was du mich gebeten hast.«
»Um was hab’ ich dich denn gebeten?«
»Weißt du das wirklich nicht mehr?« fragte sie hilflos. »Doch, doch...«
»Henderson..., ich habe ihn nicht angerufen.«
»Ach, Bob? Wie geht’s denn dem alten Jungen?«
»Sid...« Es hörte sich an, als würde sie gleich weinen. »Ja?«
»Hör auf.«
»Womit?«
»Sei um Himmels willen vorsichtig.«
»Womit?«
»Ich bin heute abend um zehn wieder zu Hause. Rufst du mich dann kurz an?«
»Damit du weißt, daß ich noch lebe?«
Plötzlich war sie böse. »Du hast schon einmal im Gefängnis gesessen, werter Herr Stefan, sieh zu, daß dir das nicht wieder passiert. Ich meine es ernst.«
Ich hatte ihr nicht erzählt, daß ich im Knast gewesen war, das wußte sie von Henderson. Ganz schön gerissen, der Mann, ich hatte ihm in meinem Karrierefieber mein ganzes Sündenregister gebeichtet.
Ich lachte. »Gut, Pauline, du hast ihn nicht angerufen. Ich werde versuchen, dir zu glauben. Möchtest du mir wirklich helfen?«
»Das hat nichts mit Helfen zu tun, weißt du. Ich möchte nur, daß du vorsichtig bist.«
»Kennst du einen Piloten, der van den Broek heißt?«
»Das ist zufällig der Kapitän des Flugzeugs, mit dem ich heute hin- und zurückfliege.«
»Ein großer, dünner, nervöser Mann?«
»Ja.«
»Weißt du vielleicht auch, wo er wohnt?«
»Irgendwo im Gooi, aber wo genau, weiß ich nicht.« »Vielen Dank. Vielleicht rufe ich dich heute nacht noch an.« »Sid, was immer du jetzt auch denken magst...«
»Ja?«
»Ich mag dich wirklich.«
»Be good now, baby.«
»Leb wohl.«
»Leb wohl.«
Leb wohl. Das war ja wie die Balkonszene aus Romeo und Julia! In modernisierter Kurzfassung für fortgeschrittene Fernsehzuschauer natürlich.
Tatsächlich stand in der Küche Kaffee auf dem Herd, im Kühlschrank waren Orangensaft und Joghurt, und ich fand auch noch eine Morgenzeitung. Während ich abwechselnd heißen Kaffee und kalten Orangensaft in mich hineinschüttete, durchblätterte ich rasch die Zeitung. Es stand nichts über unsere Schießerei in Laren drin, nichts über einen ermordeten Mann in der Geuzenkade, nichts über eine vermißte Stewardess. Wie war es nur möglich, daß in einem derart dicht besiedelten Land, wo man nicht mal auf die Straße spucken kann, ohne daß irgendwer sich darüber beschwert, und wo man schon in die Zeitung kommt, wenn man sich nur den Fuß verstaucht hat, wie war es da nur möglich, daß eine Gangsterbande ihr Unwesen treiben konnte, ohne daß irgend jemand etwas davon zu bemerken schien? Nicht, daß es mich störte, Polizei und Presse sollten mir bloß vom Leib bleiben. Aber eigenartig war es schon.
Um vier Uhr läutete das Telefon. Eine zögerliche Stimme fragte: »Signor Stefan?«
»Ja. Wo sind Sie jetzt?«
Siehatten sich in einem Hotel einquartiert, das nicht weit entfernt war. Ich erklärte ihnen, wie sie zur van Eeghenstraat kamen, und erteilte ihnen die Anweisung, dreimal lange zu hupen, wenn sie unten vor der Tür standen. Dann würde ich kommen und sie holen.
Danach bereitete ich mich auf eine eventuelle Schlacht vor. In einer Küchenschublade fand ich einige große, scharfe Messer, die ich an strategischen Orten im Zimmer unter Kissen und Polstern versteckte. Auf die vielen Tischchen und Schränkchen stellte ich leere Flaschen, die im Falle eines Kampfes von Nutzen sein konnten. Der einzige Nachteil war, daß beide Parteien Gebrauch von ihnen machen konnten, aber ich hatte wiederum den psychologischen Vorteil, daß ich darauf vorbereitet war. Im Schlafzimmer, neben Paulines Bett fand ich zum Schluß noch eine schwere Eisenstange, die hinter dem Nachtkästchen versteckt war. Ich wäre nicht gern
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