Dollars
kann.« Ichgab jedem die Hand und begleitete sie zur Haustür. Der Opel, der hinter ihrem Alfa gestanden hatte, war unterdessen weggefahren, so daß sie bequem aus der Parklücke kamen.
Enzo setzte sich ans Steuer. Während sie wegfuhren, blickten sie mich immer noch verwundert aus ihren blassen, müden Gesichtern an. Bevor sie um die Ecke bogen, hob Bruno die Hand und winkte mir zögernd zu. Ich winkte zurück. Die Kopfschmerzen dröhnten durch meinen ganzen Körper.
Frau Effimandi stand mit vorwurfsvoller Miene hinter mir. »Sie brauchen nicht so böse zu gucken«, sagte ich. »Es ist doch gar nichts passiert.«
»Sie haben hier nichts zu suchen, mein Anruf war nicht für Sie bestimmt! Warum kommen Sie einfach in mein Haus?«
»Ich wünschte, daß ich es selbst wüßte. Was hat King gestern abend gesagt?«
Sie war nicht mal erstaunt. Nach kurzem Zögern zuckte sie die Achseln. »Er hat Jeanette gesucht.«
»Natürlich. Und was haben Sie ihm gesagt?«
»Daß ihr Schwager mehr darüber weiß.«
»Warum haben Sie das gesagt?«
»Das hat Mr. Henderson mir so aufgetragen.«
»Warum?«
»Das weiß ich nicht. Er sagte, daß ich Herrn King, falls der irgendwann kommen sollte, an ihren Schwager verweisen sollte.«
»Und danach sollten Sie ihn informieren, nicht wahr?« »Wen?«
»Mr. Henderson.«
Ihre Augen wurden etwas größer, und sie schaute an meiner Schulter vorbei auf das, was sich auf der Straße abspielte. Nämlich nichts.
»Stimmt.«
»Und haben Sie ihn informiert?«
Sie schwieg einige Sekunden lang. »Nein«, sagte sie schließlich schroff.
»Warum nicht?«
Sie gab keine Antwort, sondern nickte jemandem zu, der draußen vorüberging. Sogar in Amsterdam-Zuid pflegte man die gute Nachbarschaft.
»Weil Sie nicht wollten, daß ihm etwas passiert, stimmt’s? Weil er Jeanettes Verlobter ist, nicht?«
»Weil ich es satt habe.«
»Was?«
»Alles.«
Sie trieb mich allmählich zur Weißglut. »Als ich zum ersten Mal hier war, dachten Sie, ich käme von Henderson, deshalb haben Sie mir soviel erzählt, nicht?«
Sie gab keine Antwort, sondern starrte weiter auf die Straße hinaus. Ich kochte. Mein Gesicht wurde richtig heiß, mir brannten die Augen, und der Geschmack in meinem Mund wurde immer bitterer.
»Und heute früh hat Henderson vor der Tür gestanden, Sie zusammengestaucht und Ihnen eingeschärft, daß Sie ihn von jetzt an über jeden auf dem laufenden zu halten haben, der bei Ihnen an die Tür kommt, stimmt’s oder stimmt’s nicht?«
Sie zog die Schultern hoch.
»Wieviel bezahlt Henderson Ihnen eigentlich für Ihre Spionagedienste?«
Endlich sah sie mich an. »Nicht einen Cent«, sagte sie laut und entrüstet.
»Das glaube ich Ihnen nicht.«
»Dann glauben Sie’s eben nicht. Und jetzt raus.«
»Wenn Sie gleich Henderson anrufen, grüßen Sie ihn bitte vonmir. Und sagen Sie ihm, daß ich noch nicht auf dem Konsulat war. Und wenn King wieder auftaucht, machen Sie bloß nicht auf. Machen Sie am besten gar nicht mehr auf, wenn jemand klingelt, denn auf Henderson ist kein Verlaß, der ist öfter mal nicht da.« Ich schlug die Tür dramatisch hinter mir zu und lief mit großen Schritten zu meinem VW. Als ich am Lenkrad saß, steckte ich mir eine Zigarette zwischen die Lippen, aber ich brauchte drei Streichhölzer, bis ich sie endlich angezündet hatte, und nach zwei Zügen warf ich sie auf die Straße raus. Ein Dreckszeug, dieses Pervitin.
Es war doch wirklich das allerletzte, daß ich mich in meiner Überdrehtheit dazu hatte hinreißen lassen, eine eh schon ziemlich durchgeknallte alte Dame runterzuputzen. Ich schaute in den Rückspiegel. Meine Augen waren blutunterlaufen, und mein Gesicht sah mattgrau aus. Es rauschte in meinen Ohren, und meine Lippen waren trocken und rissig. Ich brauchte dringend Schlaf.
Im zugigen Treppenhaus von Pauline roch es nach Zigaretten und Bohnerwachs – elementare Büroluft. Hinter den schweren Türen schnurrten wieder die leisen Schreibmaschinen. Inter national Trade N.V. hieß die Firma, und ich hörte auf meinem Weg nach oben unpersönliche Telefonstimmen mit fernen Ländern sprechen. Auf halber Strecke mußte ich stehenbleiben, weil mir schwindlig wurde, und die letzten Stufen kroch ich auf Händen und Füßen hinauf. Ich hatte noch den Schlüssel, den Pauline mir gegeben hatte, aber ich war nicht mehr dazu imstande, ihn ins Schloß zu stecken, und klopfte daher an.
Sie war zu Hause. »Wer ist da?«
»Ich. Der Weihnachtsmann.«
Sie
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