Dollars
wieder.
»Fahren Sie fort«, sagte King.
»Haben Sie Jeanette sehr geliebt?«
Er saß regungslos in seinem Sessel. Die stahlblauen Augen in dem grauen, ledrigen Gesicht sahen mich unverwandt an. »Ja«, sagte er schließlich.
»Haben Sie sie in letzter Zeit oft gesehen?«
»Ziemlich oft.«
»Das heißt?«
»Zwei-, dreimal im Monat.«
»Warum haben Sie sie nicht mit nach Japan genommen, als Sie entlassen wurden?«
Zum ersten Mal verlor er kurz die Selbstbeherrschung und zeigte Erstaunen. Auch Schlüffer rutschte unruhig in seinem Sessel herum.
»Warum nicht?« bohrte ich noch einmal nach.
»Weil ich es nicht wollte, Stefan«, antwortete Schlüffer an seiner Stelle. »Sie sind beide, pardon, Jeanette jetzt natürlich nicht mehr, in meinen Diensten. Jeanette war in Amsterdam äußerst wichtig für mich, zumal als King entlassen wurde. Ich habe ihnen daher klargemacht, daß sie besser dort auf ihrem Posten blieb. Sie haben zusammen soviel verdient, daß sie bald für den Rest ihres Lebens ausgesorgt hatten. Und im übrigen brauchte Jeanette nicht mehr lange zu arbeiten, weil ihr Vertrag auslief.«
»Stimmt, nur noch ein Jahr«, sagte ich.
»Woher wissen Sie das?« fragte King.
»Das hat sie mir selbst erzählt. Und jetzt eine sehr persönliche Frage, Captain. Hat sie Sie in der Zeit, in der Sie mit ihr zusammen waren, einmal betrogen?«
Er knirschte mit den Zähnen. Es fiel ihm offensichtlich sehr schwer, mir darauf zu antworten. »Ich glaube nicht.«
»Aber Sie sind sich nicht sicher?«
Er zog die Schultern hoch.
»Ich kann Ihnen verraten, daß Jeanette in der Zeit, in der ich mit ihr zusammen war, sehr oft fremdgegangen ist.«
Er lächelte ironisch.
»Ich erzähle Ihnen das, Captain, weil ich nicht glaube, daß Jeanette diese sporadischen Treffen zwei-, dreimal im Monat genügten.«
SeinLächeln war blitzartig verschwunden, und sein Gesicht verfinsterte sich womöglich noch mehr. Er krampfte die Hände um die Sessellehnen.
»Sie werden mir leider abnehmen müssen, daß Jeanette nicht nur Ihnen ihre Gunst schenkte, sondern auch anderen. Mir hatte sie zum Beispiel im Flugzeug schon so halb eine gemeinsame Nacht versprochen. Das hatte aber nicht viel zu bedeuten. Ich bin davon überzeugt, daß sie Sie wirklich geliebt hat.«
King stand auf und schob die Hand in die Innentasche seiner blauen Uniformjacke. Einen Moment lang fürchtete ich, daß ich zu hoch gepokert hatte und er jetzt nicht mehr an sich halten konnte.
»Halt, King. Es ist nichts zwischen uns gewesen. Sie hatte mich zum Essen eingeladen, und ich habe mich nicht an die Einladung gehalten. Und weil ich mich nicht an die Einladung gehalten habe, habe ich zufällig entdeckt, daß sie in der Nacht, in der sie ermordet wurde, Besuch hatte.«
King setzte sich wieder, aber seine Hand blieb in der Innentasche. »Ich kann Ihnen nicht folgen, erklären Sie das genauer«, sagte er tonlos.
Ich wandte mich wieder an Schlüffer. Sein rechter Zeigefinger befand sich unangenehm nah am Abzug seiner Pistole, die jetzt auf seinem Knie ruhte. Er sah mich aus leicht vorgebeugter Haltung an, so daß sein Gesicht seltsam verzerrt wirkte. Sein Schädel glänzte fettig im gemütlichen gelben Lampenlicht. Pauline saß immer noch wie versteinert zu meiner Rechten, direkt neben King. Ich hatte den Eindruck, daß sie sich möglichst still verhielt, damit wir sie vergaßen.
»Herr Schlüffer, bei dieser Séance im Haus der van den Broeks sagten Sie doch, daß Jeanette Romeo zufolge von Carlo – ich zitiere Ihre eigenen Worte – eliminiert wurde, nicht?«
Schlüffers Augen machten eine kleine Bewegung zu King. »So ist es«, sagte er dann langsam, »aber da wußte ich auch noch nicht, wie es sich wirklich zugetragen hat.«
»Nämlich?«
»Du bist in jener Nacht bei ihr gewesen. Du hast sie erwürgt.«
Ich lachte auf. »Komischerweise hat Carlo gedacht, Romeo hätte das getan. Das hat er selbst gesagt, als er mich in der Geuzenkade fragte, wo ich das Adreßbuch gelassen hätte. Er wußte nämlich, daß Jeanette in der betreffenden Nacht ein Rendezvous mit Romeo hatte.« Mir fiel auf, daß Schlüffer schwitzte. Ein Schweißtropfen rann ihm die Nase hinab. Ich wandte mich wieder an King. »Hat Schlüffer Ihnen eigentlich je erzählt, daß Carlo im selben Flugzeug war, in dem ich Jeanette zufällig wiedergetroffen habe?«
»Nein«, murmelte er zwischen den Zähnen. Er blickte Schlüffer unverwandt an, und jeder Muskel in seinem Körper war gespannt.
»Sie
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