Dollars
meiner Körperspannung beraubt. Ich ließ die Stange los, strauchelte und fiel um wie ein nasser Sack. Ich lag auf dem Boden. Der Schuß, der schon seit einigen Sekunden verklungen war, dröhnte immer noch schwindelerregend hoch und laut in meinen Ohren. Überall um mich herum gingen Türen auf und Lichter an, überall wurden Stimmen laut.
Enzo und Bruno, endlich, dachte ich. Aber sie waren es nicht. Henderson stand in der Tür, und ich sah noch zwei Männer hinter ihm. Sie hatten große Pistolen in der Hand, und ihre Läufe waren auf mich gerichtet. Direkt vor mir lag Kings Colt. Ich nahm das schwere Ding in die Hand, und es fühltesich federleicht an. Ich spürte, wie mein Kopf so kalt wurde wie das Metall in meiner Hand.
»Nein«, sagte meine Stimme, »nein, jetzt ist Schluß.« Ich hob den Revolver und zielte auf Henderson, doch bevor ich feuern konnte, traf mich die Whiskeyflasche am Hinterkopf, die sich Pauline unterdessen wieder geschnappt hatte, und alles um mich herum wurde schwarz und weich.
17
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, brauchte ich volle zwei Minuten, bevor ich begriff, wie ich in ein Bett in einem Zimmer im Hilton gekommen war. In meinem Kopf sauste ein Brummer herum, der verzweifelt einen Ausweg suchte und unaufhörlich gegen die Rückseite meiner Augäpfel prallte. Am Hinterkopf hatte ich eine hühnereigroße Beule.
Meiner Armbanduhr nach war es halb zehn. Mein Körper lechzte nach mehr Schlaf, die Bettwäsche war auch so herrlich kühl und das Kissen so weich, aber ich mußte noch ein paar Dinge erledigen, und mein Verstand, oder was noch davon übrig war, zwang mich aufzustehen. Ich wankte aus dem Bett und durch das Zimmer ans Fenster, zog die Vorhänge auf und bedeckte mit einem Schmerzensschrei meine Augen, die der gleißenden Morgensonne einfach noch nicht gewachsen waren.
Als ich mich nach einer halben Minute an das Licht gewöhnt hatte, stellte ich fest, daß der Sturm vom Vortag den Himmel blankgeputzt hatte. Es war strahlendes Wetter, aber das Blau sah kalt aus, und die Apollolaan unter mir glänzte naß in der Sonne. In der einen Woche, die ich jetzt in Amsterdam war, hatten die Bäume ihr Laub verloren, und es hatte fast den Anschein, als sollte der Herbst übersprungen werden, so winterlich sah es dort draußen schon aus.
Ich bestellte beim Zimmerservice ein ganz und gar flüssiges Frühstück und legte mich dann in die Badewanne. Es gibt Leute, die sich den lieben langen Tag die Hände waschen müssen. Ein Schuldkomplex vermutlich, so genau weiß ich das auch nicht. Ich schrubbte und rubbelte meinen ganzen Körper und verbrauchte ein ganzes Stück Seife in der Hoffnung, so den Schmutz der vergangenen Woche von mir abzuwaschen. Doches half nur wenig, denn als ich mich nach einer halben Stunde abtrocknete, fühlte sich mein Körper immer noch an, als hätte man mich gerade aus einem Gully gefischt.
Als ich mich gerade anziehen wollte, wurde das Frühstück gebracht, Kaffee, Tee, Orangensaft, Apfelsaft, Mineralwasser. Ich absolvierte das gesamte Programm, bis ich vor Flüssigkeit strotzte, und fühlte mich danach schon etwas besser. Der Brummer in meinem Kopf reduzierte seine Ausbruchsversuche und machte auch etwas weniger Lärm. Ich zog mich fertig an, alte Bluejeans und Wollpullover, und darüber die abgewetzte Lederjacke, die ich früher immer beim Segeln getragen hatte. Danach packte ich meine Koffer. Nur das Allernötigste, Waschzeug, etwas Unterwäsche, Socken und ein Oberhemd, verstaute ich in dem Lederbeutel, mit dem ich aus Schweden gekommen war. Als ich damit fertig war, läutete das Telefon. Ich ging nicht ran. An der Rezeption bezahlte ich meine Rechnung und bat darum, meine Koffer von oben zu holen. Ich regelte noch dies und das und sagte, daß ich in einer Stunde wieder zurück sein würde.
Es war tatsächlich kalt draußen, aber die Sonne machte es erträglich, und die frische Luft tat mir gut. Auf dem Weg zum Parkplatz wäre ich fast in eine riesige Pfütze getreten, was ich nur durch einen erschrockenen Sprung zur Seite vermeiden konnte. »Wohl zu spät ins Bett gekommen, was«, sagte ein kleiner Junge, der gerade vorbeiradelte.
»Hol dich der Kuckuck«, entgegnete ich und wunderte mich über meine eigenen Worte.
Mit dem VW Käfer fuhr ich zum Waterlooplein, wo der Kahle Kees in seinem Stammcafé stand und frühstückte. Wie schon im Knast schlürfte er den Kaffee von der Untertasse durch ein Stück Würfelzucker, das er zwischen den Lippen hielt.
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