Dollbohrer!
unangemessen viel Platz nahm dieser in ihrer Wahrnehmung ein! Denn Ausgangspunkt dieser frei erfundenen Sportart war eine, die es tatsächlich gegeben hatte … und vor allem auch heute noch gibt!
»Ischkriedisch!«
Es war Samstag, und es war 15 Uhr 30.
Nur ein paar Kilometer entfernt wurde genau in diesem Moment Eintracht Frankfurt gegen Borussia Mönchengladbach angepfiffen. Und trotzdem war es hier so voll wie noch nie, alles schien aus den Nähten zu platzen. Jeder wollte ein Ticket, jeder begehrte Einlass. Noch vor ein paar Jahren war das hier einfach nur ein runtergekommener Ort gewesen. Der seine besten Zeiten als städtische Minigolfanlage längst hinter sich hatte. »Nicht zeitgemäß ausgestattet, zu weit außerhalb, zu kostenintensiv«, waren seinerzeit die Argumente der Städteversammlung gewesen, und schon wenige Wochen später hatte man die Anlage dichtgemacht. Über Jahre hatte danach niemand mehr das morbide Areal betreten, lediglich eine größere Anzahl Ratten nistete sich zwischen und in den alten Hindernissen auf den verschlissenen Bahnen ein, und schon bald wuchs Unkraut aus den Löchern, in denen man seinerzeit die kleinen weißen Bälle versenkt hatte. Bis ein paar clevere Griesheimer auf die Idee mit diesen Turnieren gekommen waren. Da die Stadt großes Interesse hatte, die Abriss- und Entsorgungskosten zu sparen, verkaufte man ihnen die gesamte Anlage zum symbolischen Verkaufspreis von einen Euro und hatte die Sache somit vom Hals. Und die neuen Besitzer eine Stätte für das Spiel, das sie selbst kreiert hatten. Und das sie »Ischkriedisch!« nannten.
Das Gute war, dass man keinerlei Finanzmittel brauchte, um irgendetwas umzubauen. »Ischkriedisch!« würde auch hier funktionieren, weil es überall funktionierte.
War der Zuschauerzuspruch bei der ersten Veranstaltung noch nicht wirklich groß gewesen, sprach sich doch in Windeseile rum, wie unterhaltsam solch ein Turnier war und dass sich ein Kommen durchaus lohnte. Das heute war das vierte Mal, und es war ausverkauft!
Da es keinerlei Sitzplätze gab, hatten sich erfahrene Besucher Campingstühle oder zumindest alte Kisten von zu Hause mitgebracht, um sich damit direkt vor dem Zaun, der das Spielfeld umsäumte, niederzulassen. Was mitunter ein recht unruhiges Sitzen bedeutete, denn auch die stehende Zuschauerschaft versuchte natürlich, möglichst nahe beim Geschehen zu sein.
Unter lautem Gejohle liefen nun die Spieler ein. »Ischkriedisch!« war kein Mannschafts-, sondern Einzelsport, und so hatten alle Teilnehmer Leibchen mit ihren Namen darauf übergestreift.
Geleitet wurde die Partie von Martina Hochgesand, eine zwar etwas in die Jahre gekommene, aber aufgrund ihrer früheren Haftstrafen und aus dieser Zeit stammenden Tattoos immer noch hoch respektierte Schiedsrichterin, der man nichts vormachen konnte. Und die für dieses Spiel wie geschaffen schien.
Mittlerweile hatten sich alle Spieler in der Mitte des Spielfeldes, sprich der kompletten alten Minigolfanlage, versammelt. Das hieß alle bis auf einen, der sich unbemerkt in das versiffte Innere des ehemaligen Kiosks seitlich der Anlage geschlichen hatte, in dem man sich früher die Schläger und Bälle hatte ausleihen können und wo man die definitiv fettigsten Rindswürste der Welt bekommen hatte.
Der Mann im Dunkeln hieß Harald Gotta und hatte offensichtlich seine Gründe, nicht gleich ins Spielgeschehen einzugreifen. Behutsam nahm er seinen »Obi 2000« in beide Hände, um ihm unauffällig ein kleines Küsschen aufzudrücken. Das hatte ihm immer Glück gebracht, und das sollte es auch heute tun!
Draußen konnte es losgehen. Die letzten Takte von »Lucifer’s Hammer« der US -Metallband » Warlord «, das man hier zur Turnierhymne auserkoren hatte, waren gerade verklungen, und auf der gesamten Anlage wurde es plötzlich mucksmäuschenstill. Alles starrte auf Martina Hochgesand, die jetzt eindringlich die in den Satzungen vorgeschrieben Eröffnungsworte sprach.
»Die einzige Regel, die gilt, ist die, dass es keine Regel gibt! Den Besen hoch, nach vorne schaun …«
»… und allen auf die Fresse haun!«, komplettierte das Publikum im Chor, um dann mit frenetischem Beifall den Spielbeginn zu fordern.
Wie alle bisherigen Turniere wurde auch dieses im »Griesheimer Internet Radio« übertragen, was dessen Betreibern zumindest dann mal ordentlich Zuhörer brachte, während Berichte vom Umbau des Hallenbads zu einem neuen Norma-Markt oder der Jahreshauptversammlung der
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