Dolly - 10 - Wiedersehen auf der Burg
geneigt“, fuhr die Sauergurke fort, „Ihnen wegen Ihres jugendlichen Alters einen so festen Schlaf zuzutrauen, daß Sie nichts von diesem nächtlichen Aufruhr bemerkt haben. Aber ich sehe, das war nicht der Fall. Und es wundert mich keineswegs, Sie einmal wieder im Komplott mit den Mädchen zu sehen. Aber das wird für Sie ein Nachspiel haben, an das Sie noch lange denken werden, meine Liebe! Dafür werde ich sorgen!“
„Ich weiß leider immer noch nicht, wovon Sie sprechen“, sagte Dolly kühl. Zeit gewinnen, dachte sie, auf jeden Fall genug Zeit gewinnen, daß die Mädchen in ihre Betten kommen!
„So? Dann werde ich es Ihnen zeigen!“
Fräulein Sauer stob davon und riß die Tür zum Schlafsaal der Ersten auf. Mit sicherem Griff erwischte sie den Lichtschalter, und der Raum lag in blendendem Licht. Die Mädchen schienen in tiefem Schlaf zu liegen, nur Vivi blinzelte müde und knurrte etwas Unverständliches.
„Erlauben Sie?“ Dolly schob Fräulein Sauer zur Seite und betrat den Schlafsaal. Hinter Susus Bett stand ein vergessener Saftbecher, sonst war von der Mitternachtsparty nichts mehr zu sehen. Dolly stellte sich so, daß Fräulein Sauer den Becher nicht sehen konnte und schob ihn mit dem Fuß vorsichtig unters Bett. „Hier wollen Sie eben Radau gehört haben? Aber Sie sehen doch, daß die Mädchen fest schlafen! Sie müssen geträumt haben, liebe Kollegin…“
„Das werden wir sehen!“ schnaubte Fräulein Sauer und stürzte sich zum ersten Bett, aus dem Glorias blonder Haarschopf herausschaute. Mit einem Griff hatte sie dem Mädchen die Decke weggezogen.
„Aber Fräulein Sauer, das geht wirklich zu weit!“ rief Dolly empört. Dann erschrak sie. Unter Glorias Decke lagen zwei Tüten und ein Pappteller mit einem abgebissenen Würstchen darauf.
„Soso, die Mädchen schlafen also, ja?“ kreischte Fräulein Sauer und fuchtelte mit dem Würstchen vor Dollys Nase herum. „Und was ist das?“
Dolly seufzte.
„Das nehme ich mit, als Beweisstück!“ triumphierte die Sauergurke. „Morgen früh gehe ich sofort zur Direktorin und werde dafür sorgen, daß Sie eine Rüge erhalten, die Sie bis an Ihr Lebensende nicht vergessen werden!“
Feuer in der Gärtnerei
Am nächsten Tag wurde Dolly zur Direktorin bestellt. Sie hatte keine Angst vor diesem Gespräch, im Gegenteil, sie beabsichtigte, ihren Standpunkt fest zu verteidigen.
„Dolly, ich muß Ihnen sagen, daß ich bisher mit Ihrer Arbeit sehr zufrieden war. Sie haben ein paar schöne Erfolge errungen, die Mädchen vertrauen Ihnen und hören auf Sie. Um so betrübter bin ich, daß Fräulein Sauer sich über Sie beschwert. Sie…“
Dolly wollte aufbrausen und die Direktorin unterbrechen, aber die hob begütigend die Hand.
„Wir alle wissen inzwischen, daß Fräulein Sauer kein einfacher Mensch ist, obgleich ihre Erfolge im Unterricht groß sind.“
„Ja, weil sie mit Drohungen und Strenge die Mädchen so einschüchtert, daß sie vor lauter Angst doppelt soviel arbeiten wie die anderen!“ warf Dolly ärgerlich ein.
Frau Greiling seufzte.
„Was ist denn nun eigentlich geschehen?“
„Im Schlafsaal der Ersten hat offenbar eine Mitternachtsparty stattgefunden. Fräulein Sauer hat das gehört und wirft mir nun vor, ich hätte diese Party geduldet und gedeckt.“
„Was Fräulein Sauer Ihnen vorwirft, weiß ich. Aber wie ist es nun wirklich?“
„Ich habe von der Party nichts gewußt, obgleich ich zugeben muß, das ich auch etwas gehört habe, als die Sache in Gang kam – leises Lachen und Reden. Aber hätte ich wirklich hinübergehen sollen und den Mädchen den Spaß verderben? Seit das Landschulheim Möwenfels besteht, sind von den Mädchen hin und wieder solche Mitternachtspartys gefeiert worden, und die Mädchen sind deshalb trotzdem nicht zu Schaden gekommen, im Gegenteil, es gehört bei den meisten zu den schönsten Erinnerungen an ihre Schulzeit! Und was ist denn schon Schlimmes geschehen? Die Mädchen haben weder den Schlafsaal verlassen, noch haben sie irgend etwas angestellt. Sie haben ihr Taschengeld zusammengelegt, gemeinsam etwas eingekauft und gemeinsam ein kleines Fest gefeiert. Wenn das Unternehmen überhaupt irgend etwas angerichtet haben sollte, dann höchstens, daß es die Freundschaft und den Gemeinschaftsgeist der Mädchen gefördert hat!“
Dolly hatte mit solchem Feuereifer gesprochen, daß die Direktorin lächeln mußte.
„Das war eine glühende Verteidigungsrede, Dolly – und in gewisser Weise haben Sie recht. Ich bin auch
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