Dolly - 10 - Wiedersehen auf der Burg
„Moment mal…“, rief Olivia, als Vivi sich abwandte. „Spenden kann ich ja trotzdem etwas.“ Schon sprang sie aus dem Bett, griff in ihren Schrank unter ein Stapel Pullover und schwenkte einen Zehnmarkschein.
Vivi pfiff unwillkürlich durch die Zähne. Aber dann wurde sie ernst.
„Tut mir leid, Olivia. Wir nehmen das Geld nur, wenn du mitmachst. Ich sammle hier keine Almosen für einen guten Zweck. Wenn du dich bei der Party ausschließen willst, dann behalte dein Geld.“
„Wie du willst.“ Olivia warf den Geldschein achtlos in den Schrank zurück. „War ja nur ein Angebot.“
Vivi blieb noch einen Augenblick unschlüssig stehen. Sollte sie versuchen, Olivia umzustimmen? Dolly hatte sie mehrmals ermahnt, sich mehr um das Mädchen zu kümmern.
„Na, tut dir deine Ablehnung schon wieder leid?“ höhnte Olivia. „Für zehn Mark gibt’s eine Menge Kekse!“
„Nein danke“, sagte Vivi steif und ging.
Gisela, Gloria und Susu wurden am nächsten Tag dazu ausersehen, die Einkäufe für das Fest zu tätigen. Da sie die Erlaubnis hatten, zweimal, in der Woche im Hallenbad zu trainieren, fiel es niemandem auf, daß ihre Badetaschen heute besonders prall gefüllt waren, als sie aus dem Städtchen zurückkamen. Susu verstaute die Schätze in ihrem Kleiderschrank. Das große Fest konnte beginnen.
Dolly erwachte von einem eigenartig scharrenden Geräusch. Sie schlug die Augen auf und lauschte. Jetzt war leises Wispern und Füßescharren zu hören. Über den Wipfeln der Bäume stand weißlichgelb der Vollmond und erleuchtete das Zimmer fast taghell. Dolly richtete sich auf und sah auf die Uhr. Mitternacht. Und aus dem Schlafsaal der Ersten klang leises Lachen und aufgeregtes „Pssst!“
Behutsam schlich Dolly zum offenen Fenster und schaute zum Schlafsaal hinüber. Ein schwacher Lichtschein wie von einer Kerze zuckte hinter den Vorhängen. Eine Mitternachtsparty! dachte Dolly und lächelte. Eine Mitternachtsparty – genau wie bei uns. Mit Kuchen und Limonade, Dosenmilch und Ölsardinen, kalten Wiener Würstchen und Kartoffelchips, Bonbons und Schokolade.
Leise ging sie zu ihrem Bett zurück und schlüpfte unter die Decke. Sie wollte nichts gehört und gesehen haben – auch wenn die da drüben lachten und schwatzten, daß sie ein Murmeltier aus seinem Winterschlaf geweckt hätten.
Dollys Gedanken wanderten zu den Mitternachtspartys zurück, bei denen sie selbst dabeigewesen war. Damals in der Vierten, als das schreckliche Gewitter kam und sie in den Gemeinschaftsraum der Ersten geflohen waren, als Blitz und Donner sie vom Schwimmbad vertrieben hatten. Eine Torte hatten sie gehabt und Kannen voll Kakao. Und dieses kleine Biest Irmgard hatte ihnen nachspioniert und gedroht, alles zu verraten, bis sie, Dolly, so wütend geworden war, daß sie sich auf sie gestürzt hatte. Das Ende vom Lied war kläglich gewesen: sie hatte ihren Posten als Klassensprecherin aufgeben müssen.
Wie lange war das her! Damals hatte sie gedacht, die Welt müsse untergehen, so sehr hatte sie sich geschämt. Und heute? Heute war sie mit Pöttchen ein Herz und eine Seele – und war selbst Erzieherin in Möwenfels.
Und dann diese andere Party – als sie schon drüben im „Möwennest“ war, und sie die Mädchen überrascht hatte…
Dolly lachte leise, als sie sich in Gedanken an diesen Abend zurückversetzte. Es war wohl die schönste Mitternachtsparty in Möwenfels gewesen! Die erstaunten Gesichter, als das Licht plötzlich anging! Und wie herrlich sie miteinander gefeiert hatten – die Kleinen und die Großen!
Dolly drehte sich seufzend auf die andere Seite und schaute zum Fenster hinaus. Da drüben schlemmten sie jetzt, hockten mit angezogenen Beinen im Kreis, die Tüten mit den Leckerbissen in der Mitte. Vielleicht erzählten sie sich Gruselgeschichten oder träumten von einer glorreichen Zukunft – von Reisen in die weite Welt, von Ruhm und Reichtümern! Ach, noch einmal dabei sein!
Plötzlich schrak Dolly hoch. Jemand hatte heftig an ihre Tür geklopft. War da nebenan etwas schiefgegangen – hatte sich jemand verletzt? Mit einem Satz war Dolly aus dem Bett und an der Tür.
Draußen stand, im Morgenrock, die Haare straff in ein Haarnetz gebunden, Fräulein Sauer und machte ein Gesicht wie ein feuerspeiender Drache.
„So, das hätte ich mir ja denken können!“ sagte sie giftig. „Ich wollte mich nur vergewissern!“
„Können Sie mir vielleicht verraten, wovon Sie reden?“ fragte Dolly verwirrt.
„Eine Weile war ich
Weitere Kostenlose Bücher