Dolly - 11 - Hochzeit auf Burg Moewenfels
ich – ich möchte nicht mehr reiten.“
„Das verstehe ich nicht. Ausgerechnet du – wo du so eine hervorragende Reiterin bist?“
„Ich will nicht mehr“, sagte Simonetta trotzig.
„Bist du böse auf mich?“ fragte Clarissa erschrocken. „Vielleicht, weil ich deiner Mutter damals so begeistert von Burg Möwenfels erzählt habe?“
„Aber nein!“
„Woher kennt ihr euch?“ erkundigte sich Dolly.
„Ich habe mein Praktikum an der Reitschule absolviert, in der auch Simonetta ritt. Sie ist ganz ausgezeichnet!“
Auf Simonettas Stirn bildete sich eine steile Falte. Dolly fiel auf, daß sie immer besonders unwillig reagierte, wenn die Rede auf ihre Vergangenheit kam. Es war, als haßte sie alles, was mit ihrem früheren Leben zusammenhing.
„Seid ihr fertig?“ rief Dolly. „Dann zieht eure Mäntel wieder an und laßt uns hinübergehen. Will und Clarissa werden die Führung übernehmen.“
Dolly richtete es so ein, daß sie mit Simonetta als letzte ging. Obwohl das ständig bedrückte und schweigsame Mädchen nie mit ihr sprach, suchte sie doch ihre Nähe. Wie ein stummer Schatten folgte sie Dolly auf allen Spaziergängen, so als fühle sie sich nur an ihrer Seite sicher.
„Du warst noch nie im Möwennest“, sagte Dolly, „deshalb will ich dir alles ein wenig erklären. Das Möwennest war früher ein alter Bauernhof. Das Haupthaus, siehst du, in dem wir jetzt eben gesessen haben, war das alte Gutshaus. Hübsch, nicht wahr, mit dem tiefgezogenen Strohdach! Und im Sommer erst, wenn davor die Sommerblumen blühen! Im Haupthaus ist der Speisesaal für die Nestmöwen, der Aufenthaltsraum, auch die Verwaltungsräume befinden sich dort und ein paar Wohn-und Schlafräume der Lehrer im oberen Stockwerk. Die anderen Gebäude – die alte Scheune, die Ställe, die Schmiede, das Hühnerhaus – hat man zu Wohngebäuden für die Schülerinnen umgebaut und natürlich zu Unterrichtsräumen. Das da ist die Scheune! Wo früher das Heu bis unters Dach gestapelt wurde, da befinden sich heute Klassenräume und eine Bibliothek. Da vorne, da ist die Gärtnerei. Und das dort das alte Mühlenhaus – in dem habe ich das erste Semester gewohnt. Dahinter liegen die Tennisplätze und das Schwimmbecken. Ist es nicht schön hier?“
„Sehr.“
Es hörte sich an, als hätte Simonetta gesagt: „Gräßlich.“
Dolly wollte sich nicht entmutigen lassen. „Jetzt wirst du dich vielleicht fragen, was hier alles unterrichtet wird“, plauderte sie weiter, als wäre Simonetta die interessanteste Zuhörerin der Welt. „Nun, zum Beispiel Literatur und Kunstgeschichte, mehrere Sprachen, Steno und Schreibmaschine, Buchführung, aber auch Hauswirtschaft und Kochen – und natürlich Gärtnern. Es ist ein wunderbarer Platz für Mädchen, die sich noch nicht entscheiden können, was sie studieren oder für welchen Beruf sie sich entscheiden sollen.“
Simonetta gab mit keiner Silbe zu verstehen, daß sie Dollys Erzählungen gelauscht hatte, trotzdem hatte Dolly das Gefühl, als hätte sie interessiert zugehört.
„Dort ist die Reithalle! Und dahinter der Pferdestall. Ich bin wirklich gespannt auf die neuen Schulpferde!“
Dolly legte Simonetta den Arm um die Schultern und führte sie auf die Zuschauertribüne der Reithalle. Eine einzelne Reiterin galoppierte auf dem Zirkel, sie ritt eine auffallend schöne Fuchsstute, deren rotgoldenes Fell mit der rotgoldenen Lockenmähne des Mädchens wetteiferte. Eine neue Nestmöwe, dachte Dolly, die habe ich hier noch nie gesehen. Da sie so hübsch ist, wäre sie mir sicher aufgefallen.
Ein Schatten löste sich aus dem Dunkel des kleinen Raums und schob sich auf Dolly zu.
„Da bist du ja endlich!“
„Klaus! Ich habe dich gar nicht gesehen!“
„Kein Wunder, in der Dunkelheit hier oben. Wo sind deine anderen Küken? Oder hast du nur eines mitgebracht?“
„Nein, nein, sie sind noch im Pferdestall. Ich wollte Simonetta nur schnell die Reitbahn zeigen. Wer ist das Mädchen da unten – eine Neue?“
„Ja, sie muß sehr reich sein. Sie hat ihr eigenes Pferd mitgebracht und fährt einen Sportwagen, von dem du nur träumen kannst. Ich glaube, sie ist nur aus Langeweile hier, um ihre ohnehin vorzüglichen Sprachkenntnisse aufzubessern und Kochen zu lernen. Was sie vermutlich später nie benötigen wird.“
„Und wie heißt sie?“
„Cordula Flink.“
Dolly pfiff durch die Zähne. Der Name bürgte für Millionen. Klaus hatte ihren Pfiff offensichtlich anders gedeutet, jedenfalls grinste er von einem Ohr
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