Dolly - 11 - Hochzeit auf Burg Moewenfels
nicht klappt, dann ein anderes Mal“, Fräulein Sauer kicherte hämisch. „Einmal erwischen wir sie doch!“
Der Trubel im Haus ebbte ab. Die Mädchen verließen mit ihren Eltern die Burg, um einen Ausflug zu machen, einen Stadtbummel oder einen Strandspaziergang, und sich von ihnen zum Essen ausführen zu lassen. Die Vorführungen, sportlichen Wettkämpfe, die Ausstellungen von Bastelarbeiten, Malereien, Handarbeiten und Töpfereien waren ein großer Erfolg geworden, und Lehrer und Schüler konnten mit dem gelungenen Tag zufrieden sein.
Die Nestmöwen hatten ihrem Ruf als phantasievolle Köchinnen ein weiteres Ruhmesblatt hinzufügen können und packten befriedigt Schüsseln und Platten zusammen.
Dolly hatte ein langes Gespräch mit Monas Eltern geführt. Nun waren auch sie mit ihrer Tochter davongefahren, der Nordturm lag verwaist und still, Dolly konnte daran denken, sich für den Abend mit ihrem Vater hübsch zu machen.
Sie war gerade mit dem Umziehen fertig, als es unten vor der Einfahrt hupte. Dr. Rieder stieg aus dem Auto und sah zu Dollys Fenster hinauf. Dolly winkte ihm, heraufzukommen.
An Fräulein Sauers Fenster bewegte sich heftig die Gardine. Im gleichen Augenblick wurde ungeduldig an ihre Tür geklopft.
„Haben Sie gesehen?“ Madame Rougier polterte ins Zimmer der Kollegin, ohne ihre Antwort abzuwarten. „Sie hat ihn auf ihr Zimmer geholt! Wenn das nicht der Gipfel der Unverfrorenheit ist! Wir müssen sie abfangen! Wir müssen sie auf frischer Tat ertappen! Kommen Sie! Die anderen warten schon!“
Wie vier wandelnde Vogelscheuchen huschten sie kurz darauf die Treppe zu Dollys Zimmer hinauf und postierten sich vor der Tür. Drinnen war herzliches Lachen und leises Gemurmel zu hören.
„Sollen wir sie überraschen?“ wisperte Fräulein Gerald.
„Warten wir noch einen Augenblick!“ Fräulein Sauer legte das Ohr an die Tür, aber drinnen wurde es still. „Jetzt!“ kommandierte sie, klopfte einmal kurz und hart an die Tür und riß sie im gleichen Augenblick auf.
Dr. Rieder saß am Tisch und blätterte in einem Buch. Dolly stand vor dem Spiegel und bürstete sich die Haare.
„Oh, Verzeihung!“ flötete die Sauergurke. „Ich wußte nicht, daß Sie Besuch haben!“
Hinter ihr reckten die drei anderen die Köpfe. In ihren Gesichtern stand leise Enttäuschung darüber, daß es nicht mehr zu sehen gab und die Attacke anscheinend zu früh erfolgt war. Eine zärtliche Umarmung hatte man doch mindestens zu sehen gehofft!
„Aber bitte!“ sagte Dolly fröhlich. Nicht mal das Gesicht der Sauergurke konnte sie heute aus ihrer Feiertagsstimmung reißen. „Sie brauchen sich doch nicht zu entschuldigen, Fräulein Sauer! Was kann ich für Sie tun?“
„Oh, ich möchte wirklich nicht stören!“ zwitscherte die Sauergurke zuckersüß im Vorgeschmack auf ihren Sieg. „Ihr Bekannter möchte Sie sicher jetzt ganz für sich haben!“
Um Dollys Mundwinkel zuckte es amüsiert.
„Nein, keineswegs, meinem Vater wird es nichts ausmachen, noch einen Augenblick zu warten. Papa, darf ich dich mit einigen unserer hervorragendsten Lehrkräfte bekannt machen? Du erinnerst dich gewiß an Mademoiselle Rougier und an Herrn Jung. Fräulein Sauer ist in diesem Schuljahr neu an die Burg gekommen, und auch Fräulein Gerald war noch nicht hier, als ich die Schule besuchte. Und nun, Fräulein Sauer, was wollten Sie von mir?“
Der Sauergurke war der Unterkiefer heruntergeklappt. Sie hatte Mühe, einen verständlichen Satz herauszubringen. Das zuckersüße Lächeln stand immer noch wie eingefroren auf ihrem Gesicht, krampfhaft suchte sie nach einer einigermaßen glaubwürdigen Erklärung für ihren plötzlichen Rückzug. Jetzt sich nur keine Blöße geben! Vor Dolly, das wäre noch zu ertragen gewesen – aber vor dem bekannten Chirurgen Professor Rieder?
„Oh, das hat wirklich Zeit bis morgen, Liebste“, stotterte sie. „Wir werden uns jetzt schleunigst zurückziehen und Sie Ihrem verdienten freien Abend… eh… also… Ihre Tochter ist ja eine so außerordentlich tüchtige… eine so erstaunliche… so begabte Erzieherin, nicht wahr, Herr Professor… also, einen schönen Abend wünsche ich… leben Sie wohl… und entschuldigen Sie nochmals die Störung!“
Die Tür klappte zu, draußen entfernten sich fluchtartig die Schritte der vier Verschwörer.
„Reizend, ganz reizend“, meinte Dr. Rieder kopfschüttelnd. „Allerdings schien mir die Dame ein wenig verwirrt. Habe ich irgend etwas Ungewöhnliches an mir?“
Dolly
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