Dolly - 12 - Die juegste Burgmoewe
basteln, zu singen oder zu musizieren.
KlausHenning Schwarze hatte einen Malwettbewerb veranstaltet, das schönste Herbstbild sollte preisgekrönt werden. In der Töpfergruppe arbeitete man an einem Geschenk für den Geburtstag der Direktorin, einem Teegeschirr mit einem hübschen blauweißen Dekor. Und Dolly widmete viel Zeit denjenigen Mädchen, die sich zur Herstellung der Schülerzeitung zusammengefunden hatten.
Waren die Mädchen zu Bett gegangen und im Nordturm endlich Ruhe eingekehrt, dann saßen Klaus und sie oft mit Ellen Wieland zusammen, kramten in alten Erinnerungen oder sprachen über die Probleme und Freuden des Tages.
Ellen war Klassenlehrerin der Vierten geworden, außerdem unterrichtete sie in mehreren anderen Klassen Geschichte. Sie war eine begeisterte Spaziergängerin und machte in ihrer Freizeit lange Wanderungen, von denen sie immer etwas mitbrachte. Einen Herbststrauß, seltsam gefärbte Blätter, auffallende Steine oder eigenartig geformte Wurzeln. Einmal kam sie mit einem verletzten Igel zurück, den die Mädchen der ersten Klasse sofort in ihre Obhut nahmen und gesund pflegten.
„Wir scheinen einen Einsiedler in der Gegend zu haben“, berichtete sie eines Abends. „Die kleine, verlassene Jagdhütte ist wieder bewohnt. Ich habe zwar niemanden zu Gesicht bekommen, aber in dem Häuschen fand ich Geschirr und Besteck, ein Lager aus Heu und ein paar Decken, eine Waschschüssel und Lebensmittel.“
„Nun, lange wird derjenige es wohl nicht aushalten. Ohne Ofen wird es da drinnen recht ungemütlich werden“, meinte Dolly. „Sicher ist es ein Landstreicher, dem die einsam gelegene Behausung hochwillkommen war.“
„Man sollte den Mädchen sagen, daß sie nicht allein in die Nähe der Hütte gehen. Solange man nicht weiß, was für ein Zeitgenosse sich da aufhält, ist es besser, vorsichtig zu sein. Wir dürfen kein Risiko eingehen“, sagte Klaus. „Bei Gelegenheit werde ich mal versuchen herauszubekommen, wer sich da eingenistet hat.“
„Wie steht es mit deiner Ausstellung der Herbstbilder?“ erkundigte sich Ellen. „Sind die Kunstwerke rechtzeitig fertig geworden?“
„Ja, und es sind ganz erstaunliche Bilder darunter. Den ersten Preis wird wohl Charlie bekommen, sie hat ein Aquarell von hinreißender Zartheit gemalt, ein Bild von tiefer Melancholie, erstaunlich für ein so zupackendes, lebensbejahendes Mädchen. Wenn sie auch…“
„Was?“
„Nun in letzter Zeit scheint sie mir sehr unausgeglichen. An einem Tag aktiv und energisch wie gewohnt, am nächsten wie ein müder kleiner Vogel. An solchen Tagen wirkt sie wie eine Schlafwandlerin auf mich.“
„Das ist mir auch schon aufgefallen!“ sagte Dolly lebhaft. „Ist es nicht eigenartig? Diese Zustände kommen in einem ganz regelmäßigen Rhythmus, ein Tag aktiv, ein Tag passiv. Ob es mit dem Entwicklungsalter zusammenhängt? Ich habe so etwas noch nie bei einem Kind erlebt.“
„Glaubst du, daß sie krank ist?“
„Nein“, antwortete Dolly zögernd. „Dazu benimmt sie sich zu normal. Ihre Schulleistungen sind gut, sie ißt mit Appetit, scheint sogar ständig hungrig zu sein. Sie schläft wie ein Murmeltier, und es ist sonst nichts Ungewöhnliches an ihr zu entdecken. Ich verstehe es nicht.“
„Dann wird es wohl doch das rasche Wachstum sein, das sie in regelmäßigen Abständen so erschlafft scheinen läßt, so ängstlich und abwartend“, meinte Klaus nachdenklich. „Wir werden sie besonders im Auge behalten müssen.“
Daß mit Charlie etwas nicht stimmte, war auch den Mädchen aufgefallen.
„Was ist heute mit dir los? Du läufst wie eine lahme Ente! Sonst bist du doch immer unter den Schnellsten“, rügte Gloria sie beim Handballspiel.
„Ich weiß auch nicht“, sagte Charlie ausweichend. „Entschuldige bitte, mir ist heute so schwindlig, und meine Glieder sind schwer wie Blei!“
„Dir ist in letzter Zeit ziemlich oft schwindlig“, Susu sah Charlie prüfend an. „Ich weiß nicht, ich glaube, du solltest die Hausmutter bitten, mal mit dir zum Arzt zu gehen. Irgendwas fehlt dir.“
„Quatsch! Was soll mir denn fehlen? Ich bin kerngesund. Vielleicht liegt es daran, daß ich zu schnell wachse. Da hat man das manchmal, das sagt meine Mutter auch.“
„Vielleicht, vielleicht auch nicht. Jedenfalls bist du verändert. Nicht mal deine Augen leuchten wie sonst.“ Charlie erschrak.
„Meine Augen? Meine Augen sind völlig in Ordnung! Alles ist in Ordnung. Nett, daß du dich um mich sorgst, aber du kannst wirklich
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