Dolly - 12 - Die juegste Burgmoewe
bis man sie angeklagt hatte?
„Komm herein!“ sagte die Direktorin mit ihrer kräftigen dunklen Stimme.
Olivia stolperte über die Schwelle und blieb verwirrt stehen. Die Direktorin saß hinter ihrem Schreibtisch und sah auf ein Schriftstück hinunter, das einer der beiden Herren ihr gerade gereicht hatte. Dolly stand hinter ihr und schaute ebenfalls auf das Papier. Eine gerichtliche Vorladung? Der Brief eines Rechtsanwaltes? Die beiden Herren betrachteten Olivia interessiert.
„Ist sie das?“ fragte der eine.
„Ja, das ist Olivia Reichberg. Komm näher, mein Kind.“ Olivia spürte ihre Beine kaum. Sie wollte etwas sagen, aber ihr Hals war so trocken, daß sie keinen Ton herausbrachte.
„Du zitterst ja! Was ist los?“ sagte Dolly erstaunt. „Warum bist du so nervös?“
„Nun, das kann man ja verstehen“, sagte einer der Herren und lächelte sogar ein bißchen. „Man bekommt ja nicht jeden Tag so hochoffiziellen Besuch – noch dazu in einer so ernsten Angelegenheit!“
Olivia schluckte. Hilflos schaute sie von einem zum anderen.
„Unglaublich!“ sagte die Direktorin. „Man kann es nicht fassen, daß ein dreizehnjähriges Mädchen zu so etwas imstande ist!“
„Und ganz allein, ohne Hilfe!“
Wieso ohne Hilfe? Es war schließlich keine Kunst, durch falsches Verhalten auf der Straße ein Auto zum Schleudern zu bringen, so daß es einen Baum rammte und ein Kotflügel dabei draufging.
„Ihr Vater hat uns versichert, daß sie von der Idee bis zur Ausführung alles allein gemacht hat.“
„M-m-mein Vater?“ stotterte Olivia. Jetzt verstand sie überhaupt nichts mehr.
„Ja. Er war es auch, der hinter deinem Rücken – sozusagen klammheimlich – den Entwurf für unseren Wettbewerb eingeschickt hat“, sagte der jüngere der beiden Herren.
„Meinen Entwurf?“
„Deinen Entwurf für ein modernes Schulgebäude mit Spiel-und Sportplätzen und Werkstätten für alle möglichen Interessengruppen.“
„Den hatte ich ganz vergessen“, fuhr es Olivia heraus. „Mein Vater hat ihn eingeschickt?“
„Zum Glück, ja! Wir fanden ihn so originell und mit so vielen guten Ideen versehen, daß wir ihm einen Sonderpreis verliehen haben. Deshalb sind wir hier“, sagte der Altere lächelnd. „Um dir deinen Preis zu bringen und dir persönlich zu gratulieren! Du wirst sicher eines Tages eine gute Architektin werden, Olivia. Herzlichen Glückwunsch!“
„Ich werd verrückt!“
War Olivia bis jetzt käseweiß gewesen, so bekam sie jetzt in Sekundenschnelle die Farbe einer vollerblühten Pfingstrose.
„Ich… ich kann’s noch gar nicht fassen! Ich – einen Preis?!“
„So ist es. Hier hast du deine Ehrenurkunde. Und hier – ein Scheck. Für dein Sparkonto, nehme ich an. Oder wirst du dir damit einen besonderen Wunsch erfüllen?“
„Oh… eh… ich weiß noch nicht. Ich kann das alles noch gar nicht begreifen. Vielen, vielen Dank!“
Olivia stürmte auf die Herren zu und schüttelte ihnen die Hände. Dann fiel sie Dolly um den Hals.
„He, du weinst ja!“ sagte Dolly leise. „So aufgeregt? Du kannst stolz sein auf deine Arbeit, sie ist ganz ausgezeichnet. Die ganze Schule wird sich mit dir freuen!“
Nun gratulierte ihr auch die Direktorin. Dann luden die Herren von der Bauzeitschrift, die den Wettbewerb ausgeschrieben hatte, Olivia, Frau Greiling und Dolly zum Abendessen ein.
„Mich müssen Sie leider entschuldigen“, sagte die Direktorin. „Ich habe heute abend bereits eine Verabredung, die ich nicht absagen kann. Aber wenn ich Ihnen einen Vorschlag machen darf – Herr Schwarze, der Klassenlehrer Olivias, wird mich sicher gern vertreten.“
„Ich habe das alles gar nicht verdient“, sagte Olivia leise.
„Oh, doch, das hast du“, antwortete Frau Greiling. „Es ehrt dich, daß du so bescheiden bist. Und wenn du wirklich meinst, du wärst über dein Verdienst belohnt worden, nun, dann gibt es ja immer noch die Möglichkeit, es dir nachträglich zu verdienen. Hab ich recht?“
„Ja“, sagte Olivia, „das will ich tun. Ich will alles tun, damit Sie Grund haben, stolz auf mich zu sein!“
Später, als sie allein waren, gestand sie Dolly ihre Ängste und Befürchtungen und das, was sie so lange verschwiegen hatte.
„Na, eine große Heldentat war das gewiß nicht“, antwortete Dolly lächelnd, „aber ich glaube, du hast alle deine Sünden reichlich abgebüßt. Ich werde versuchen herauszubekommen, wer die Dame war. Wenn du mich fragst, fühlt sie sich ebenfalls schuldig an dem Unfall, sonst hätte sie
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