Dolly - 16 - Dollys schoenster Sieg
verdächtigen.“
„Auch nicht Fräulein Wehmut?“
„Auch nicht Fräulein Wehmut. Sie ist eine Schwärmerin, futtert gern, genießt das Leben, ist aber ganz harmlos. Ich halte sie nicht für fähig, irgend jemandem etwas Böses zu tun.“
„Da hast du sicher recht.“
„Die zweite Hypothese: Eifersucht. Wesentlich wahrscheinlicher, denn…“
Dolly lachte auf. „Du hättest Anwalt werden sollen! Aber sprich nur weiter.“
„Eifersüchtig auf dich kann zunächst mal jedes weibliche Wesen sein, das deinem Mann begegnet ist.“
„Hört, hört!“
„Nun ja, das weißt du sehr gut. Klaus ist beliebt, klug, sieht gut aus… wir dürfen annehmen, daß er in den Träumen vieler Mädchen der Burg herumgeistert. Daß er eine von ihnen in ihrer Schwärmerei ahnungslos verletzt und zurückgewiesen hat und sie sich nun zu rächen versucht.“
„Sicher, das wäre möglich“, gab Dolly zu, „ich habe auch mit Klaus schon darüber gesprochen. Er meint, er könne sich nicht vorstellen, daß eine seiner Schülerinnen ihn anhimmelt, ohne daß er das mitkriegen würde. Außerdem ist er ganz sicher, daß er niemanden gekränkt oder zurückgewiesen hat.“
Felicitas dachte eine Weile schweigend nach.
„Wie gut kennst du alle die, die in diesem Schuljahr neu nach Möwenfels gekommen sind?“
„Es sind nicht viele. Nur die neue Erste – und Bine in der Dritten. Sie ist ein ganz besonders lieber Kerl, wir mochten uns sofort. Auch hat sich noch nie ein Mädchen so schnell eingelebt. Es ist, als sei sie schon Jahre bei uns.“
„Und die neue Erste?“
„Mein Gott, die Kleinen!“
„Die Kleinen sind immerhin zwölf. Mit zwölf Jahren ist ein Mädchen schon eine kleine, selbständige Persönlichkeit, wenn auch noch nicht erwachsen.“
Dolly ließ sich eine weitere Tasse Kaffee einschenken und lehnte sich bequem zurück.
„Natürlich kenne ich sie nicht so gut wie die anderen. Aber es ist diesmal nicht ein einziges Problemkind darunter. Sie sind alle wunderbar normal, freundlich, quicklebendig, anpassungsfähig, das hatte ich schon lange nicht mehr!“
„Okay“, sagte Felicitas, „gehen wir sie doch mal einzeln durch. Sag mir, was du über sie weißt.“
„Soll das ein Verhör sein?“ meinte Dolly bedrückt.
„Nein. Wir klären den Fall!“ erwiderte Feli ernst.
„Also schön Karen und Lilli, die unzertrennlichen Freundinnen, haben sich sehnlichst gewünscht, nach Möwenfels zu kommen, und sind ungeheuer stolz, jetzt zu uns zu gehören. Jana, die zu uns kam, weil ihre Eltern beruflich für zwei Jahre nach Übersee gehen mußten, hatte zuerst viel Heimweh. Ich habe jeden Abend für eine Weile an ihrem Bett gesessen und mit ihr gesprochen, bis sie sich eingelebt hatte. Jetzt fühlt sie sich wohl in der Gemeinschaft. Anna, Arzttochter wie wir beide, erinnert mich sehr an mich selbst. Sie kann manchmal sehr jähzornig werden, ist aber sonst ein fröhlicher, vernünftiger kleiner Kerl. Sehr ehrgeizig. Der Clown der Ersten ist Rosi, sie steckt voller Streiche und ulkiger Sprüche und bringt ständig alle zum Lachen. Sie hat mehrere Geschwister zu Hause, eine fröhliche Familie, ich habe sie kennengelernt. Yvonne kommt aus der Schweiz und war vorher auf einem anderen Internat. Auch sie hatte sich gewünscht, nach Möwenfels zu kommen, und ist glücklich bei uns. Sie ist ein Einzelkind, die Eltern Lehrer, und sie genießt das Leben in der Gruppe Gleichaltriger.
Wen haben wir noch? Ach ja, Greta, unsere Schwedin, eine Sportkanone, sie reitet, schwimmt, spielt Tennis, macht Leichtathletik. Sie hat sich Will angeschlossen und ist in jeder freien Minute hier im Möwennest. Sie weiß schon jetzt, daß sie einmal Sportlehrerin werden wird. Beate, unsere Leseratte, Beste in der Klasse und Klassensprecherin, ein echter Bücherwurm, jede Woche muß ich ihr neuen Lesestoff verschaffen.
Ja, und dann Michelle. Die romantische Michelle. Sie schreibt Gedichte und Märchen, die sie mir dann zur Beurteilung gibt. Wenn ich sie gut finde, darf Klaus sie auch lesen, und wenn sie auch vor seinen Augen Gnade finden, ist sie stolz und glücklich und macht sich sofort an ein neues Werk. Ja, und Gundula. Das sind alle.“
„Gundula? Was ist sie für ein Typ?“
Dolly zuckte hilflos mit den Achseln.
„Ich weiß es nicht. Bildhübsch, gute Manieren, unauffällig, keine Interessen, keine Freundinnen – es ist, als sei sie gar nicht da. Sie wirkt irgendwie starr“, sagte Dolly nachdenklich.
„Du magst sie nicht, nicht wahr?“
„Ach nein, ich glaube,
Weitere Kostenlose Bücher