Dolly - 16 - Dollys schoenster Sieg
könne von dort die Erleuchtung kommen, was es war, das ihr Wohlbehagen im Bruchteil einer Sekunde in das Gegenteil verkehrt hatte. Dann wagte sie einen Blick nach unten.
„Himmel!“ murmelte sie tonlos. Sie ergriff ihre Serviette, breitete sie über ihre Vorderansicht, so gut diese sich damit verdecken ließ und stürzte nach draußen. Zehn Mädchenköpfe verschwanden hustend und prustend in Taschentüchern oder hinter vorgehaltenen Händen.
„Welch ein Schicksalsschlag!“ sagte Juanita schließlich. „Man sollte bei Tisch nicht so heftig dirigieren. Und jetzt gebt mir bitte die Spaghetti-Schüssel.“
„Himmel!“ murmelte Fräulein Wehmut tonlos
„Zum Nachtisch gibt es Karamel-Creme!“ verkündete Hilda. „Super. Man muß die Feste feiern…“
„…wie sie fallen!“ sagten alle im Chor und wollten sich ausschütten
vor Lachen.
Am nächsten Tag nach dem Unterricht bat Fräulein Wehmut Hilda, die Klassensprecherin, zu sich.
„Hilda, du bist ein vernünftiges Mädchen. Ich habe eine Bitte an dich!“
„Ja, Fräulein Wehmut?“
„Ich möchte dich bitten, bei den Mahlzeiten die Oberaufsicht an unserem Tisch zu übernehmen. Glaubst du, daß du in der Lage bist, für Ruhe und Ordnung zu sorgen?“
„Sicher, Fräulein Wehmut. Warum?“
„Ich habe mich entschlossen… nun ja, ganz unter uns: Ich habe, seit ich hier bin, ein wenig an Gewicht zugenommen. Die Klimaumstellung vermutlich, vielleicht auch eine leichte Stoffwechselstörung. Jedenfalls habe ich beschlossen, ein paar Wochen Diät zu halten, deshalb möchte ich bei den Mahlzeiten nicht anwesend sein. Es wäre zu quälend.“
„Das verstehe ich gut, Fräulein Wehmut!“ sagte Hilda treuherzig. „Sie können sich auf uns verlassen, wir werden uns prima benehmen!“
„Ich danke dir, mein Kind.“
Dolly sucht Rat
Mehr als sie sich eingestehen wollte, litt Dolly unter dem Gedanken, daß es einen Menschen gab, der voller Haß und Neid an sie dachte. Dieser Gedanke quälte sie weit mehr, als es die kleinen törichten Anschläge konnten, die auch jetzt nicht abrissen.
Ein weiterer Brief war aufgetaucht. Diesmal ein anonymes Schreiben, das mit der Post kam und aus Zeitungswörtern zusammengesetzt war. Man machte ihr darin Mitteilung, daß Klaus sie mit Ellen Wollert betrog. ,Sie sind zu bedauern’, stand darin. ,Er betrügt Sie mit Ihrer Freundin, und Sie merken es nicht. Er ist Ihrer Liebe nicht würdig. Eine Freundin.’ Dolly übergab Klaus mit einem hilflosen Kopf schütteln den Brief. „Wie aus einem schlechten Roman abgeschrieben!“ sagte sie.
„Ja, wirklich. Wenn’s nicht so ernst wäre, man könnte nur lachen.“ „Was soll ich machen? Ihn wegwerfen?“
Klaus überlegte einen Moment.
„Ja, aber möglichst so, daß derjenige es sehen kann. Wirf ihn, ohne
ihn zu zerreißen, in den Papierkorb, so daß man ihn auch von weitem erkennen kann.“
„So?“
„Gut so, ja.“
Es klopfte.
„Ja bitte?“ rief Dolly. „Gundula! Du bist nicht in deiner Klasse? Ist etwas passiert?“
„Ich habe mich verletzt. Fräulein Pott hat erlaubt, daß ich mir bei Ihnen schnell ein Pflaster hole, Hausmutter. Ich störe doch nicht?“ Gundula sah von einem zum anderen.
„Komm, zeig mal her. Wie ist denn das passiert?“
„Meine Schere war aus dem Mäppchen gerutscht und aufgegangen, und ich habe, als ich ein Heft aus der Schultasche ziehen wollte, hineingefaßt.“
„Ist nicht so schlimm, nur ein kleiner Schnitt, siehst du.“
Dolly betupfte die Stelle mit Jod und heftete ein Pflaster darüber.
„So, schon erledigt. Du kannst wieder gehen.“
„Warte, ich komme mit“, sagte Klaus. „Die nächste Stunde fängt gleich an, ich muß in meine Klasse.“
Gundula zuckte unmerklich zurück.
„Hm, ich wollte noch…“
„Aha, Frauengespräche. Ich lasse dich mit der Hausmutter allein“, erklärte Klaus lächelnd und verließ das Zimmer. In der Tür wandte er sich noch einmal um und warf Dolly einen zärtlichen Blick zu. Dolly erwiderte ihn lächelnd. Gundula hatte scheinbar unbeteiligt auf den Schreibtisch gestarrt, doch der Blick entging ihr nicht.
„Nun? Was kann ich für dich tun?“ fragte Dolly herzlich. Gundula starrte auf ihre Fußspitzen. Dabei fiel ihr Blick auf den Papierkorb.
„Du wolltest doch irgend etwas von mir? Was war es denn?“
„Ach, nichts“, stotterte Gundula verwirrt. Ihr Gesicht hatte einen schwer zu deutenden Ausdruck von widerstreitenden Gefühlen. Dann glättete es sich plötzlich zu der gewohnten, liebenswürdig
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