Dolly - 16 - Dollys schoenster Sieg
das zu sagen wäre übertrieben. Ich fühle mich ihr gegenüber ein bißchen hilflos, weil sie sich so völlig verschließt. Ohne dabei richtig unfreundlich zu sein. Ach, ich weiß nicht. Manchmal zweifle ich, ob sie überhaupt aus Fleisch und Blut ist.“
„Das heißt, sie ist eine gute Schauspielerin“, stellte Felicitas fest.
„Wieso?“
„Wenn sie es so vortrefflich zu verbergen weiß, daß sie aus Fleisch und Blut ist. Was weißt du über ihre Eltern?“
„Sie sind geschieden. Gundula lebt bei ihrem Vater. Er hat sie auch hergebracht, ein stiller, ein wenig krank aussehender Mann. Gundula war vom ersten Schultag an eine Musterschülerin, die nur gute Noten hatte, erzählte er mir. Das hat sich im letzten Jahr geändert, deshalb hat er sie hergebracht.“
„Durch den Verlust der Mutter?“
„Möglicherweise. Er wollte darüber nicht sprechen. Lobte die Verständigkeit und die gute Anpassungsfähigkeit seiner Tochter. Das hat sich ja auch erwiesen. Mehr als mir lieb ist, sie ist überangepaßt! Du spürst keinerlei Widerstand.“
„Und das macht dich nicht mißtrauisch?“
„Nein. Ausgeschlossen. Warum sollte sie mich angreifen wollen? Sie kennt mich überhaupt nicht! Ich habe ihr nicht das geringste getan! Sie ist freiwillig nach Möwenfels gekommen, freiwillig in den Nordturm! Außerdem, sie ist ein Kind, Feli! Du solltest sie sehen, so zart, so liebenswürdig.“
Felicitas wollte antworten, doch in dem Augenblick wurde an die Tür geklopft, und gleich darauf stand ein großer junger Mann mit der frischen Gesichtsfarbe eines Menschen, der sich ständig im Freien aufhält, im Zimmer.
„Da bin ich!“
„Ralph!“ Felicitas flog ihm buchstäblich in die Arme, wobei die Kaffeetafel bedenklich ins Wanken geriet. „Warte, ich mache gleich frischen Kaffee. Setz dich hierher und beschäftige dich inzwischen mit einem Stück Kuchen.“
„Einem?“ fragte Ralph in gespielter Enttäuschung. „Entschuldigt übrigens, daß es etwas länger gedauert hat, aber ich mußte meiner kleinen Schwester beim Unterrichten in der Reithalle noch ein bißchen über die Schulter sehen.“
„Ist doch klar! Wir hatten ohnehin ernste Dinge zu besprechen.“
„Hast du deiner großen Schwester inzwischen ein Geständnis gemacht?“
Felicitas wurde rot. „Nein, noch nicht.“ Sie kam an den Tisch, legte Ralph den Arm um die Schulter und sagte, zu Dolly gewandt: „Wir wollen uns Weihnachten verloben, weißt du. Aber bitte behalte das noch für dich.“
„Feli! Was für eine tolle Neuigkeit! Gratuliere! Oh, ich freue mich so für dich, für euch beide!“
Der unsichtbare Feind schlägt zu
Es wurde ein langer Nachmittag. Vieles gab es zu besprechen. Als Dolly endlich in die Burg zurückkehrte, waren die Mädchen bereits im Speisesaal versammelt.
„Entschuldige, Klaus, daß es so lange gedauert hat! Es war ein so gemütlicher Nachmittag!“ rief Dolly ihrem Mann zu, als sie im Flur ihren Mantel an den Haken hängte.
„Prima. Und Kathrinchen hat nicht protestiert?“
„Protestiert? Wie meinst du das?“
„Weil du so lange mit ihr unterwegs warst! Es ist doch längst
dunkel!“ sagte Klaus.
„Bist du gerade erst gekommen? Sie schläft wohl schon, daß du das
nicht weißt. Ich hatte sie gar nicht mit, die Mädchen haben es nicht
zulassen wollen, sie haben auf ihren Babysitterrechten bestanden und
gemeint, ich hätte auch mal einen freien Tag verdient.“
Klaus stand in der Tür und starrte Dolly fassungslos an. „Sie ist
nicht bei dir?“
„Nein, das sage ich doch! Sie wird längst im Bett sein, Olly wollte
sie füttern und baden, wenn es bei mir später werden sollte.“ „Kathrinchen ist nicht in ihrem Bett. Sie ist den ganzen Nachmittag
nicht in der Wohnung gewesen“, sagte Klaus ernst. „Und Olly sagte
mir, du hättest Kathrinchen nun doch mitgenommen.“
„Was?“ Dolly wurde blaß.
„Ja, Olly sagte mir, ein Mädchen aus der Ersten hätte ihr
ausgerichtet, du hättest dich doch entschlossen, deine Tochter mit zum
Möwennest zu nehmen, sie sollten nicht enttäuscht sein.“
„Kein Wort habe ich gesagt!“ Fast schrie Dolly. Sie mußte sich
setzen, so jäh wurde sie von einer Schwäche überfallen, daß ihr die
Knie versagten. „Bitte, Klaus, hol Olly her, und das Mädchen aus der
Ersten, wir müssen sofort feststellen, was da los ist!“ sagte Dolly
tonlos. Klaus stürzte hinaus.
Kurz darauf kam er mit der vor Angst und Schrecken zitternden
Olly zurück, ihr folgten Vivi, Susu und die kleine Michelle. Dolly
Weitere Kostenlose Bücher