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Dolores

Dolores

Titel: Dolores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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durchschneidet, wann immer sie die Lust dazu überkommt. Ich glaube, die dritte hieß Atropos. Aber auch wenn das nicht stimmt, bei diesem Namen habe ich immer eine Gänsehaut bekommen.
    »Ja«, sagte ich zu ihr, »aber ich will verdammt sein, wenn ich eine Möglichkeit sehe, ihm das zukommen zu lassen, was er verdient.«
    Klick-klick-klick. Neben ihr stand eine Tasse mit Tee, und sie unterbrach ihre Arbeit lange genug, um einen Schluck zu trinken. Es sollte eine Zeit kommen, in der sie immer wieder versuchte, ihren Tee durch ihr rechtes Ohr zu trinken und sich die Haare damit zu waschen, aber an jenem Herbsttag im Jahre 1962 war ihr Verstand immer noch so scharf wie das Rasiermesser meines Vaters. Als sie mich ansah, schienen ihre Augen ein Loch ganz durch mich hindurchzubohren.
    »Was ist das Schlimmste daran, Dolores?« fragte sie schließlich, setzte ihre Teetasse ab und griff wieder zu ihrem Strickzeug. »Was meinen Sie - was ist das Schlimmste? Nicht für Selena oder die Jungen, sondern für Sie?«
    Darüber brauchte ich gar nicht erst nachzudenken. »Daß dieser Mistkerl mich auslacht«, sagte ich. »Das ist für mich das Schlimmste daran. Manchmal kann ich es ihm ansehen. Ich habe es ihm nie gesagt, aber er weiß, daß ich in der Bank war, er weiß es ganz genau, und er weiß, was ich herausgefunden habe.«
    »Das könnte pure Einbildung sein«, sagte sie.
    »Und wenn schon«, gab ich sofort zurück. »Ich habe jedenfalls das Gefühl.«
    »Ja«, sagte sie. »Was man für ein Gefühl hat, das ist wichtig. Da stimme ich Ihnen zu. Fahren Sie fort, Dolores.«
    Was meinen Sie damit, ich soll fortfahren, wollte ich sagen. Ich hatte gesagt, was zu sagen war. Aber das hatte ich vermutlich nicht, denn etwas anderes kam zum Vorschein wie ein Schachtelmännchen. »Er würde mich nicht auslachen«, sagte ich, »wenn er wüßte, daß ich ein paarmal ganz nahe dran war, seine Uhr für immer anzuhalten.«
    Sie saß nur da und musterte mich, und diese dünnen, dunklen Schatten jagten sich gegenseitig über ihr Gesicht und kamen ihr in die Augen, so daß ich ihnen nichts entnehmen konnte. Ich mußte wieder an die Frauen denken, die über den Sternen spinnen. Besonders an die mit der Schere.
    »Ich habe Angst«, sagte ich. »Nicht vor ihm - vor mir selbst. Wenn ich die Kinder nicht bald von ihm wegbringen kann, wird irgendetwas Schlimmes passieren. Das weiß ich. Da ist etwas in mir, und es wird immer schlimmer.«
    »Ist es ein Auge?« fragte sie, und mich überlief es eiskalt. Es war fast so, als hätte sie in meinem Schädel ein Fenster gefunden und es dazu benutzt, direkt in meine Gedanken zu schauen. »So etwas wie ein Auge?« 
    »Woher wissen Sie das?« flüsterte ich, und wie ich da saß, kriegte ich eine Gänsehaut auf den Armen und fing an zu zittern.
    »Ich weiß es«, sagte sie und fing eine neue Reihe an. »Ich weiß alles darüber, Dolores.«
    »Also - wenn ich nicht aufpasse, bringe ich ihn um. Das ist es, wovor ich Angst habe. Und dann kann ich das Geld vergessen. Dann kann ich so ziemlich alles vergessen.«
    »Unsinn«, sagte sie, und die Nadeln in ihrem Schoß machen klick-klick-klick. »Ehemänner sterben alle Tage, Dolores. Wahrscheinlich stirbt gerade jetzt wieder einer, während wir hier sitzen und uns unterhalten. Sie sterben und hinterlassen ihren Frauen ihr Geld.« Sie beendete ihre Reihe und sah zu mir auf, aber ihre Augen konnte ich immer noch nicht sehen, wegen der Schatten, die der Regen warf. Sie krochen und wanden sich über ihr Gesicht wie Schlangen. »Ich muß es schließlich wissen, wenn man bedenkt, was mit meinem Mann passiert ist.« 
    Ich brachte kein Wort heraus. Die Zunge klebte mir am Gaumen wie ein Maikäfer an einem Fliegenfänger. »Manchmal«, sagte sie mit einer klaren Stimme, die sich anhörte wie die einer Lehrerin, »ist ein Unfall der beste Freund einer unglücklichen Frau.«
    »Wie meinen Sie das?« fragte ich. Es war nur ein Flüstern, aber ich war ein wenig überrascht, daß ich überhaupt so viel herausbrachte.
    »Wie Sie es verstehen wollen«, sagte sie. Dann grinste sie - es war kein Lächeln, sondern ein Grinsen. Um die Wahrheit zu gestehen, Andy, dieses Grinsen ließ mir das Blut erstarren. »Sie müssen nur daran denken, was Ihnen gehört, gehört ihm, und was ihm gehört, gehört Ihnen. Wenn er zum Beispiel einen Unfall hätte, dann würde das Geld, das auf seinem Konto liegt, Ihnen gehören. So will es das Gesetz in unserem großartigen Land.«
    Ihre Augen hefteten

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