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Dolores

Dolores

Titel: Dolores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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des Verstandes die Art, auf die er sich das Geld unter den Nagel gerissen hatte, bewies mir, daß er ein bißchen.schlauer war, als ich geglaubt hatte -, sondern hing mit seiner Art des Denkens zusammen. Ich bin ziemlich sicher, daß Joe St. George tief im Innern daran glaubte, daß er niemals sterben würde.
    Und weil ich seine Frau war, würde alles an mich zurückfallen.
    Als ich Pinewood an diesem Nachmittag verließ, hatte der Regen aufgehört, und ich ging ganz langsam nach Hause. Ich hatte noch nicht einmal den halben Weg zurückgelegt, als mir der Gedanke an den alten Brunnen hinter dem Holzschuppen kam.
    Als ich ankam, hatte ich das Haus für mich allein - die Jungen waren irgendwo und spielten, und Selena hatte einen Zettel hinterlassen, auf dem stand, daß sie zu Mrs. Devereaux rübergegangen war, um ihr bei der Wäsche zu helfen - sie wusch damals die ganze Bettwäsche vom Harborside Hotel. Ich hatte keine Ahnung, wo Joe war, und es kümmerte mich auch nicht. Das Entscheidende war, daß sein Laster nicht da war, und weil an diesem Ding der Auspuff nur noch an einem Faden hing, würde ich es früh genug hören, wenn er zurückkam.
    Ich stand eine Minute lang da und betrachtete Selenas Zettel. Es ist irgendwie komisch, wie Kleinigkeiten einen Menschen dazu bringen können, sich zu irgendwas zu entschließen - ihn gewissermaßen vom »Ich könnte« zum »Ich werde« treiben. Ich bin selbst jetzt noch nicht sicher, ob ich, als ich an diesem Tag von Vera Donovan zurückkam, tatsächlich vorhatte, Joe umzubringen. Ich wollte mir den Brunnen ansehen, ja, aber das kann nicht mehr gewesen sein als ein Spiel, ungefähr so, wie Kinder »So tun als ob« spielen. Wenn da nicht dieser Zettel von Selena gewesen wäre, hätte ich es vielleicht nie getan und was immer bei dieser Geschichte herauskommt, Andy, Selena darf es nie erfahren.
    Auf dem Zettel stand ungefähr folgendes: »Mom - ich bin mit Cindy Babcock bei Mrs. Devereaux, um ihr bei der Hotelwäsche zu helfen - sie hatten über das FeiertagsWochenende mehr Gäste als erwartet, und du weißt ja, wie schlimm Mrs. D.’s Arthritis geworden ist. Die Arme schien nicht mehr ein und aus zu wissen. Ich komme rechtzeitig zurück, um beim Abendessen zu helfen. Liebe und Küsse, Sel.«
    Ich wußte, daß Selena nicht mehr als fünf oder sieben Dollar mit heimbringen würde, aber sie würde sich über das Geld freuen wie ein Schneekönig. Sie würde mit dem größten Vergnügen wieder hingehen, wenn Mrs. Deveraux oder Cindy sie wieder darum baten, und wenn ihr im nächsten Sommer ein Job als TeilzeitZimmermädchen im Hotel angeboten werden sollte, dann würde sie bestimmt versuchen, mich dazu zu bringen, daß ich ihr erlaubte, ihn anzunehmen. Weil Geld nun einmal Geld ist; auf der Insel waren damals Tauschgeschäfte noch die alltäglichste Sache der Welt und Bargeld etwas, das nicht leicht zu haben war. Mrs. Deveraux würde sie bestimmt wieder kommen lassen und ihr auch ohne weiteres eine Empfehlung für das Hotel ausschreiben, wenn sie sie darum bitten sollte, weil Selena ein fleißiges Mädchen war und keine Angst davor hatte, den Rücken krumm oder sich die Hände schmutzig zu machen. 
    Mit anderen Worten, sie war genau so, wie ich in ihrem Alter gewesen war, und seht euch an, was aus mir geworden ist - ein alter Putzteufel, der ständig krumm geht, mit einer Packung Schmerztabletten für den Rücken im Medizinschränkchen. Selena fand nichts dabei, aber sie war gerade fünfzehn geworden, und mit Fünfzehn weiß ein Mädchen noch nicht, was es sieht, auch wenn es direkt vor seiner Nase passiert. Ich las den Zettel immer und immer wieder, und ich dachte, verdammt nochmal, sie soll nicht so enden wie ich, mit fünfunddreißig schon alt und ziemlich verbraucht. Das soll sie nicht, und wenn ich sterben müßte, um das zu verhindern. Aber weißt du was, Andy? Ich glaubte nicht, daß es so weit würde kommen müssen. Ich dachte, daß Joe vielleicht das ganze Sterben besorgen würde, das in diesem Haus erforderlich war.
    Ich legte ihren Zettel auf den Tisch, knöpfte meinen Regenmantel wieder zu und zog meine Gummistiefel an. Dann ging ich in den Hintergarten hinaus und blieb bei dem großen weißen Felsbrocken stehen, auf dem ich und Selena an dem Abend gesessen hatten, als ich ihr sagte, sie brauchte vor Joe keine Angst mehr zu haben, er hätte versprochen, sie in Ruhe zu lassen. Der Regen hatte aufgehört, aber ich konnte immer noch hören, wie das Wasser in dem

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