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Dolores

Dolores

Titel: Dolores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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länger als drei Stunden hintereinander schlafen, bevor irgendein Alptraum mich aufweckte, konnte kaum daran denken, meine eigene Unterwäsche zu wechseln. Mein Denken war nie weit fort von dem, was mein Mann mit meiner Tochter angestellt hatte, und von dem Geld, das er von ihren Konten gestohlen hatte, und wie ich es zurückbekommen konnte. Vor allem letzteres. Mir war klar, daß ich eine Weile aufhören mußte, daran zu denken, wenn ich eine Antwort finden wollte - wenn ich das fertigbrachte, würde sie sich vielleicht von selbst präsentieren -, aber gerade das schien ich nicht zu können. Selbst wenn meine Gedanken einmal für kurze Zeit irgendwo anders hinwanderten, dann genügte schon die geringste Kleinigkeit, und sie purzelten wieder in dasselbe alte Loch. Ich hatte mich festgefahren, es machte mich wahnsinnig, und das war vermutlich der wahre Grund dafür, daß ich Vera schließlich erzählte, was passiert war.
    Ich hatte wahrhaftig nicht die Absicht, mit ihr zu reden. Seit sie im Mai nach dem Tod ihres Mannes aufgekreuzt war, war sie reizbar gewesen wie eine Löwin mit einem Dorn in der Pfote, und ich dachte nicht daran, einer Frau mein Herz auszuschütten, die sich benahm, als wäre die ganze Welt gegen sie. Aber als ich an diesem Tag zu ihr kam, hatte sich ihre Laune endlich gebessert.
    Sie war in der Küche und heftete einen Artikel von der Titelseite des Boston Globe an die Korktafel, die neben der Tür zur Speisekammer an der Wand hing. Sie sagte: »Sehen Sie sich das an, Dolores - wenn wir Glück haben und das Wetter mitspielt, dann werden wir im nächsten Sommer etwas ganz Außerordentliches erleben.« 
    Nach all diesen Jahren erinnere ich mich noch wortwörtlich an die Schlagzeile dieses Artikels, denn als ich ihn las, war mir, als drehte sich in mir irgendwas um. Totale Sonnenfinsternis wird nächsten Sommer den Norden von Neuengland verdunkeln lautete sie. Da war eine kleine Karte, aus der hervorging, welcher Teil von Maine in der Bahn der Sonnenfinsternis liegen würde, und Vera hatte die Stelle, an der Little Tall lag, mit einem kleinen roten Kreuz markiert.
    »Vor dem Ende des nächsten Jahrhunderts wird es keine weitere mehr geben«, sagte sie. »Unsere Enkel werden sie sehen, Dolores, aber wir sind dann schon lange unter der Erde - also sollten wir uns diese nicht entgehen lassen.«
    »Wahrscheinlich wird es an diesem Tag in Strömen regnen«, sagte ich daraufhin, ohne viel darüber nachzudenken, und da Vera seit dem Tod ihres Mannes fast ständig angefressen gewesen war, dachte ich, sie würde mich anfahren. Statt dessen lachte sie nur und ging summend nach oben, und ich erinnere mich, daß ich dachte, daß in ihrem Kopf das Wetter anscheinend umgeschlagen war. Nicht nur, daß sie summte, sie schien nicht einmal eine Spur verkatert zu sein.
    Ungefähr zwei Stunden später war ich oben in ihrem Zimmer und bezog das Bett, in dem sie später so lange hilflos gelegen hat. Sie saß in ihrem Sessel beim Fenster, strickte an einer Decke und summte immer noch. Der Kessel war in Betrieb, aber es war noch nicht richtig warm  - es dauert eine halbe Ewigkeit, bis so ein großes Haus richtig geheizt ist -, und sie hatte sich ihren rosa Schal um die Schultern gelegt. Inzwischen war ein starker Westwind aufgekommen, und der Regen, der an die Fensterscheibe schlug, hörte sich an, als würden Hände voll Sand dagegen geworfen. Als ich zu dem Fenster hinausschaute, konnte ich das Licht von der Garage sehen, was bedeutete, daß der Ungar in seiner kleinen Wohnung saß und es sich vermutlich gutgehen ließ.
    Ich schlug gerade die Ecken des Lakens unter (Spannbettlaken kamen für Vera Donovan nicht in Frage, darauf könnt ihr euren letzten Dollar verwetten - Spannbettlaken wären zu einfach gewesen) und dachte zur Abwechslung einmal nicht an Joe oder die Kinder, und meine Unterlippe begann zu zittern. Hör auf damit, sagte ich mir. Hör sofort damit auf. Aber diese Lippe wollte nicht aufhören. Dann begann auch die obere zu zittern. Ganz plötzlich füllten sich meine Augen mit Tränen und meine Knie wurden weich, und ich setzte mich aufs Bett und weinte.
    Nein. Nein.
    Wenn ich schon die Wahrheit erzählen will, dann sollte ich auch nichts verschweigen. Tatsache ist, daß ich nicht einfach weinte; ich schlug mir die Schürze vors Gesicht und heulte. Ich war erschöpft und völlig durcheinander und am Ende meiner Kräfte. Ich hatte seit Wochen nicht mehr richtig geschlafen, und ich konnte um alles in der Welt

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